Im Bann der Lilie (Complete Edition)
Eure Nebenbuhlerin ein klein wenig mehr. Es führt zu Schwindelanfällen und später zu einem massiven Organversagen. Ich selbst habe die Wirkung gesehen. Man kann es nicht nachweisen, und niemand würde an eine Vergiftung denken.“
Die Dame schnäuzte sich in ihr Taschentusch.
„Vielleicht wird seine Wirkung aber nicht schnell genug eintreten. Ich befürchte, in meinem Zustand bin ich für den König wenig attraktiv, und er wendet sich immer wieder einer Jüngeren zu. Es würde mich nicht verwundern, wenn er eines Tages sogar meinem Kindermädchen nachstellt, die wirklich ein reizendes Ding ist.“
„Oh, ich bitte Euch. Selbst in diesem gesegneten Zustand seid Ihr ein vollkommener Anblick. Sorgt Euch nicht. Zu Eurer Beruhigung werde ich Euch noch das Rezept für einen erprobten Liebestrank verraten. Ich werde Euch beides bei Eurer Abreise morgen früh mitgeben. Hübsch als Geschenk verpackt. Aber nun muss ich mich wieder um die Gäste kümmern. Ruht ein wenig, Madame. Man wird Eure Abwesenheit verzeihen.“
Der Marquis schien sich zur Tür zu bewegen, und Marcel huschte davon. Unauffällig mischte er sich wieder unter die farbenprächtige Gesellschaft. Was er da gehört hatte, erschien ihm so unwirklich im Gegensatz zu den Wohltaten, die er bislang von Julien de Montespan erfahren hatte. Und nun beteiligte dieser sich an einer jener üblen Intrigen bei Hofe, die er doch so verachtete, wenn man seinen Worten trauen konnte. Marcel wollte es nicht glauben, und doch hatte er es mit eigenen Ohren gehört! Es fiel ihm schwer, sich wieder auf die vielen Gäste, die Plaudereien und den Tanz zu konzentrieren. Ein Glas Champagner spülte seine aufkeimende Unsicherheit hinunter.
Julien trat zu ihm an das Buffet.
„Ich hoffe, Ihr genießt Euer Fest?“, fragte er.
„Ja natürlich, ich fühle mich sehr geehrt“, gab Marcel höflich zur Antwort.
Die eher zurückhaltende Art machte den Marquis stutzig. Doch er fragte nicht nach. Er nahm den jungen Mann beiseite.
„Einige der Damen sind der Meinung, dass Ihr bereits jetzt eine gute Partie seid. Wie steht es mit Euch? Habt Ihr denn kein Interesse an der holden Weiblichkeit? Es gibt hier so einige, die Euch schöne Augen machen.“
Marcel winkte verlegen ab.
„Ich gedenke nicht, mich in nächster Zeit zu vermählen, wenn Ihr das meint. Der Tod meiner Mutter liegt mir noch schwer auf dem Herzen.“
„Ich verstehe, aber ein so junger und hübscher Galan wie Ihr sollte auch der Liebe huldigen. Euch stehen viele Türen in den besten Kreisen offen. Schaut Euch nur mal um!“
Marcel seufzte bei diesen Worten. Liebe hatte er nur als Kind von seinen Eltern erfahren. Elise hasste ihn, und andere Kinder hatten mit dem Finger auf ihn gezeigt, weil seine Hautfarbe nicht diese vornehme Blässe besaß, wie sie in Frankreich verlangt wurde. Außerdem stand ihm nicht der Sinn danach, eine eigene Familie zu gründen, nur weil es von ihm erwartet wurde. Dafür fühlte er sich viel zu jung. Er hatte noch so wenig von der Welt gesehen! Eine maßlose Traurigkeit überkam ihn plötzlich und es schien, als würde die Unbeschwertheit der Jugend von einer Minute auf die andere von ihm abfallen.
Wieder ergriff der Marquis das Wort: „Versteht mich nicht falsch, Ihr seid an keine gesellschaftlichen Zwänge gebunden. Lasst Euch Zeit, um die Richtige zu finden.“
Am liebsten hätte er den Satz mit „oder den Richtigen“ noch ergänzt, aber das wagte er nicht. Dafür legte er den Arm um seinen Schützling.
„Wenn Ihr hier niemanden findet, um Euer Herz zu erwärmen, dann müssen wir die Auswahl vergrößern. Im nächsten Monat findet bei Hofe ein Maskenball statt. Alles, was Rang und Namen hat, wird dort erscheinen und auch wir reisen dorthin. Ich bin sicher, dass dieses Ereignis ein Wendepunkt in Eurem Leben sein wird.“
Dieser Vorschlag sollte dem jungen Mann einfach nur Mut machen. Der Marquis konnte nicht ahnen, dass auch die Comtesse Elise zu diesem Ball in Versailles geladen war, das damals noch ein Jagdschloss war und ständig ausgebaut wurde, um die vielen Gäste zu beherbergen. Elise hatte tatsächlich vor, dieses königliche Fest zu einem Wendepunkt im Leben ihres Halbbruders zu machen!
Dass der Marquis von ihrer Schuld wusste, ließ der Comtesse Saint-Jacques keine Ruhe. Nachdem die Kutsche des Herzogs ihren Landsitz verlassen hatte, rief sie einen der Diener zu sich.
„Sagt, habt ihr sonst noch irgendjemanden in der Kutsche gesehen?“
„Nein, Comtesse, die
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