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Im Bann der Lilie (Complete Edition)

Im Bann der Lilie (Complete Edition)

Titel: Im Bann der Lilie (Complete Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol Grayson
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Handbewegung. „Gebt zu, sie hat Euch eine Zeitlang amüsiert. Aber erzählt mir nicht, dass Ihr sie geliebt habt“, meinte er belanglos. Dabei goss er sich ein Glas Bordeaux ein und ein weiteres für den schweigsamen Marcel. In dieser Nacht stand ihm der Sinn nicht nach dem unreinen Blut der Menschen. Heute bevorzugte er einen edlen Wein.
    „Das ist es nicht“, erwiderte der junge Vampir, als er das Glas aus der Hand des Marquis entgegen nahm.
    „Ah, ich verstehe. Die verletzte Eitelkeit plagt Euch, weil die Dame Euch ohne Abschied verlassen hat“, schmunzelte Julien.
    Sollte er dem Jungen die Wahrheit sagen? Wenn es jemals eine Beziehung zwischen ihnen beiden geben sollte, dann wäre es vielleicht besser. Der Marquis nahm jetzt neben seinem Mündel Platz.
    „Ich muss gestehen, ich war nicht ganz unschuldig daran“, gab er jetzt leise zu.
    Verwundert blickte Marcel ihn an. Sein Erschaffer berichtete ihm von dem Vorfall in der Gasse und was er mit Graziella gemacht hatte. Marcels Enttäuschung verflog augenblicklich. Sie hatte ihn also gesucht, vermutlich tagelang, und er hatte ihr Unrecht getan. Sollte er nun dem Marquis zürnen? Im Gegenteil, der fand die Tatsache, dass sie als Vampire offenbar noch mehr Fähigkeiten hatten, als er bisher angenommen hatte, äußerst interessant. Es weckte seine Neugierde.
    Erleichtert bemerkte Julien, dass sein Entschluss, Marcel die Wahrheit zu gestehen, richtig gewesen war.
    „Wie habt Ihr das vollbracht?“, wollte der junge Vampir wissen.
    „Unsere Augen sind die Spiegel, die ihre Emotionen aufsaugen. Damit können wir sie nicht nur mental bannen, sondern sie auch zwingen, uns ihre Herzen auszuliefern. Eine leichte Berührung mit der Hand, die den Ring trägt, hilft Euch dabei wie ein Katalysator. Aber achtet auf das, was Ihr darin findet: Angst und Hass schwächen uns genauso wie der Alkohol in ihrem Blut! Sie machen uns unvorsichtig auf der Jagd und haben schon manchem von uns das Leben gekostet! Tapferkeit, Mut und Liebe stärken uns dagegen. Indem wir ihnen befehlen, zu vergessen, schenken wir ihnen innere Ruhe und die Möglichkeit auf einen Neuanfang. Sie erinnern sich weder an uns, noch an das, was ihr Herz belastete.“
    „Oder beflügelte?“
    Das alles klang denkbar einfach und plausibel, und vor allen Dingen positiv, so als wolle der Marquis die Vorzüge ihrer Rasse wieder einmal ins rechte Licht rücken.
    „Wie in einem medizinischen Handbuch“ , dachte der junge Vampir fast zynisch. Wo war der Haken dabei? Aber Marcel konnte auf den ersten Blick keinen finden.
    Julien dagegen überlegte, ob er Marcel einen Blick in sein eigenes Herz tun lassen sollte.
    „Hat sie mich geliebt?“, fragte Marcel nun gerade heraus.
    Julien nickte. „Hat sie, doch nicht allein um Eurer Schönheit willen, sondern aufgrund der Faszination Eures Seins. Wärt Ihr Mensch, so hättet nur ihr ein hübsches Spielzeug für diese Frau dargestellt.“
    „Gut zu wissen“, befand Marcel innerlich. Das machte es ihm leichter, Graziella zu vergessen. Dennoch vermisste er die unbeschwerte Freiheit, die der kleine Zirkus ihm geboten hatte. Er war dort wie einer der ihren behandelt worden.
    Der Marquis hatte seinen Schützling genau beobachtet und wechselte nun das Thema.
    „Übrigens, die Königin ist nun ebenfalls zum Tode verurteilt worden, wie man mir berichtet hat. Falls Ihr …“ Er ließ diesen Satz unvollendet.
    Marcel schüttelte den Kopf. Julien saß ihm zu gewandt und hatte den Arm ausgestreckt auf der Sofalehne, so dass seine Hand den jungen Mann gerade erreichen konnte. Er klopfte ihm sanft auf die Schulter.
    „Ich bin sicher, sie findet den nötigen Trost bei ihrem Beichtvater“, grinste er.
    Marcel musste lachen, und Julien stimmte mit ein. Noch immer lag seine Hand auf der Schulter des Jungen.
     
    Den Befehl, in Richtung der spanischen Grenze zu fahren und dabei die größeren Städte zu meiden, konnte Gaspard nur in den ersten Tagen seiner Reise ins Ungewisse befolgen. Proviant für sich und die Pferde konnte er auf einzelnen Bauernhöfen erstehen. Der Marquis hatte ihn mit genügend Geldmitteln versorgt. Doch irgendwann hatte er auf der holprigen Fahrt über schlammige Feldwege und durch dunkle Wälder die Orientierung verloren und fuhr nun in einem großen Kreis in Richtung der preußischen Grenze und damit völlig entgegengesetzt zum beabsichtigten Ziel. Nicht nur die inneren Unruhen erschütterten Frankreichs Grundfesten zu dieser Zeit. Das Land befand sich

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