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Im Bann der Lilie (Complete Edition)

Im Bann der Lilie (Complete Edition)

Titel: Im Bann der Lilie (Complete Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol Grayson
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sowieso zum Teufel jagen oder direkt umbringen.“
    Eine andere männliche Stimme antwortete: „Wenn er nicht schon verheiratet wäre und sein gesamtes Vermögen während der Revolution verloren hätte, würde er das sicher selbst gern tun.“ Ein verächtliches Schnauben: „Oder bringt gleich seine Frau Martine um, damit er erneut eine reiche Erbin erwischt.“
    Danach herrschte für eine kleine Weile stille, bevor die beiden Männer ihr Gespräch fortsetzten. Marcel, selbst mit einer schwarzsilbernen Augenmaske versehen und im Kostüm eines Musketiers, neigte seinen Kopf, um dem Gespräch noch besser folgen zu können. Dabei konnte er aus den Augenwinkeln erkennen, dass es sich zwei junge Männer Anfang Zwanzig handelte, die dicht beieinander standen. Einer davon trug das bodenlange Gewand des Götterboten Hermes, ein überschlanker Jüngling mit goldblonden Haaren und einem fast unschuldigen Gesichtsausdruck. Der andere war etwas kräftiger von Statur, dunkelhaarig und als armer Poet gekleidet. Die beiden setzten gerade ihre vertrauliche Unterhaltung fort.
    „Irgendwie kann ich ihn ja auch verstehen, aber das üppige Leben ist nun einmal für den Adel vorbei“, seufzte der Blonde. „Wenn du Giselle sehen könntest, sie wiegt mindestens zwei Zentner.“
    Der andere lachte bitter auf: „Dann ist sie ja ihr Gewicht in Gold wert.“
    Selbst Marcel musste nun schmunzeln bei der Vorstellung, wie dieses ungleiche Paar wohl nebeneinander aussehen musste.
    „Willst du es dir nicht noch einmal überlegen?“, fragte der Dunkelhaarige jetzt besorgt.
    Hermes schüttelte den Kopf.
    „Nein, ich werde noch vor Mitternacht den Ball verlassen und aus der Stadt fliehen. Ich kann so nicht leben, wie mein Bruder sich das vorstellt. Nicht für alles Geld und Gut dieser Welt. Das weißt du doch, Armand! Überleg du dir lieber, ob du wirklich mitkommen willst.“
    Die Stimme klang nun verzweifelt, fast weinerlich. Marcel spürte, wie sich in ihm eine Abneigung regte, diesen jungen Menschen zu töten, nur weil dieser seiner ihm auferlegten „Familienpflicht“ einer reichen Heirat nicht nachkommen wollte. Er konnte beobachten, wie der dunkelhaarige Poet nun sanft die Hand des blonden jungen Mannes ergriff und für kurze Zeit festhielt. Fast hilfesuchend umklammerte dieser die Hand des Freundes.
    „Warum sollte er dich denn töten wollen, Philippe“, flüsterte Armand nun.
    Der Götterbote drängte sich noch dichter an den anderen heran, gerade so, dass es bei dem Gedränge der Gäste nicht auffallen musste.
    „Ich bin eine Schande für die ganze Familie“, flüsterte Philippe ihm ins Ohr.
    „Nicht doch!“, tröstete ihn sein Freund und hauchte einen Kuss auf seine Wange.
    In diesem Augenblick verstand Marcel, worum es seinem Auftraggeber wirklich ging: Der Junge da war eindeutig nicht dem weiblichen Geschlecht zugeneigt und auch nicht willens, den adeligen Namen an einen Erben weiterzugeben. Er wusste, dass der Vicomte de Montfort kinderlos geblieben war und die Schuld daran seiner Frau Martine gab. Seine einzige Chance, nicht nur an Geld zu kommen, sondern auch den Namen weiterzugeben, war eine Heirat seines Bruders Philippe. Eine große Auswahl an passenden Bräuten gab es derzeit nicht mehr in Paris, also hatte der Vicomte eine Hochzeit mit der leidlich hübschen und dicklichen Giselle de Beaufort ins Auge gefaßt, deren Familie über reiche Plantagen im Ausland verfügte und dort die Wirren der Revolution gut überstanden hatte.
    Aber was würde geschehen, wenn der Rédempteur seinen Auftrag zum ersten Mal nicht ausführte? Sollte sich ein Vampir überhaupt so etwas wie ein Gewissen erlauben? Was hätte Julien in dieser Situation getan? Hätte er ihn vielleicht sogar ausgelacht? Sein Mentor besaß eine doch eher verächtliche Einstellung zu diesen Sterblichen! Während dieser Überlegungen bemerkte der junge Chevalier, wie ihm der Vicomte in der Menge ein ungeduldiges Zeichen gab, dass er sich seines Bruders annehmen sollte, noch bevor es Mitternacht schlug und die Zeit der Demaskierung gekommen war. Marcel fasste einen Entschluss: Er wollte unbedingt persönlich mit Philippe reden, bevor er eine endgültige Entscheidung treffen würde! Er wandte sich um und sah gerade noch, wie die beiden jungen Männer den Ballsaal verließen. So schnell es ging, eilte er durch die erstaunt blickenden Gäste, die sich wegen seiner unhöflichen Art echauffierten, entschuldigte sich mehrmals und nahm die Verfolgung auf. Der Vicomte de

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