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Im Bann der Lilie (Complete Edition)

Im Bann der Lilie (Complete Edition)

Titel: Im Bann der Lilie (Complete Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol Grayson
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musste Marcel lachen. Zum Glück kam dieses Lachen gerade am Ende einer Anekdote, die der Bankier bei Tisch zum Besten gegeben hatte, so dass es nur Silvio auffiel. Dieser hatte eher mit Scheu die Familie begrüßt. Der in einfachen Verhältnissen aufgewachsene Junge musste sich an viele neue Dinge in der sogenannten guten Gesellschaft gewöhnen, die Marcel ihm zeigte. Noch immer besaß er ein angeborenes Misstrauen gegenüber den Hochwohlgeborenen. Geld hatte Silvio nie besessen. Den Umgang damit hatte Marcel ihm beigebracht, ebenso wie die Tischmanieren, an die er sich heute halten musste. Die beiden Vampire beließen es jedoch bei der Vorspeise, einer klaren Suppe, die sie nur zögerlich auslöffelten. Die Hauptspeise lehnten sie ab.
    „Verzeiht, aber wir sind gerade erst von einer schweren Erkältung genesen. Daher unser geringer Appetit“, entschuldigte der Chevalier ihrer beider Nahrungsverweigerung. Auf diese Weise erklärte er auch nochmals den ungewöhnlichen Aufzug frühmorgens auf dem Viehmarkt. Die Familie gab sich mit dieser Erklärung scheinbar zufrieden und fuhr mit der reichhaltigen Mahlzeit fort, während Marcel und Silvio nur noch an den Gläsern mit dem schweren spanischen Rotwein nippten. Jedoch ruhten die Blicke der beiden heranwachsenden Kinder neugierig auf den außergewöhnlich gut aussehenden Gästen. Die Tochter in einem altrosa Kleid wirkte fast noch kindlich naiv mit den hochgesteckten blonden Locken, der Stupsnase und den übergroßen Aquamarinaugen. Ab und zu kicherte sie, wenn ihr Vater wieder einmal einen Witz machte. Ihr Zwillingsbruder Clement besaß die gleichen Augen, trug sein Haar jedoch offen bis auf die Schulter des dunkelblauen Anzugs. Seine Gesichtszüge waren die eines Cherubs, ebenmäßig und von fast weiblicher Schönheit. Er war vom Charakter eher zurückhaltend und frönte der dichtenden Kunst. Sehr zum Leidwesen seines Vaters, der sich einen Vollblutkaufmann als Nachfolger gewünscht hätte.
    „Woher kommt Ihr, Monsieur Barzini?“, fragte Clement leise über den Tisch hinweg. Silvio hasste dieses Angestarrtwerden und wäre am liebsten wieder allein mit Marcel gewesen. Seine samtblauen Pupillen wichen den fremden Augen aus.
    Marcel betrachtete seinerseits diese Familie als eine Art Studienobjekt, gab sich ungezwungen und charmant. Er antwortete an der Stelle seines Freundes: „Mein Cousin ist etwas schüchtern, verzeiht. Seine Mutter war Italienerin und sein Vater Engländer. Seit ihrem Tod habe ich ihn meine Obhut genommen.“
    „Wie freundlich von Euch“, entzückte sich die Hausherrin.
    Ihr Gatte dagegen wunderte sich: „Und auf welche Weise seid Ihr nun verwandt?“
    Marcel spürte, dass er einen Fehler gemacht hatte, ließ sich jedoch nichts anmerken. „Über sieben Ecken, wie es in den Adelshäusern so üblich ist. Adoptionen, Ihr versteht?“
    Devereaux gab sich damit zufrieden und genoss weiter seinen Braten.
    „Was für ein Glück, dass Ihr nur halb Engländer seid. Ihr wisst sicher, dass wir nicht gerade in Frieden mit den Engländern leben“, lächelte Marie daraufhin. „Aber auf welcher Seite würdet Ihr im Kriegsfall wohl stehen, mein lieber Silvio?“
    Der Halbitaliener blickte hoch und ihr geradewegs in die aufdringlichen Augen, die ihn bisher verschlungen hatten. Sie hielt mit ihrem dummen Geplauder inne und eine fast lähmende Stille breitete sich an der Tafel aus, nur unterbrochen von den Kaugeräuschen des Gastgebers.
    „Auf Marcels Seite natürlich“, gab Silvio gelassen zur Antwort, ohne den Blick von ihr zu wenden, bis sie ihre Augen beschämt niedersenkte.
    Die Stille löste sich von einem Augenblick auf wie eine Gewitterwolke und die vorherige Heiterkeit kehrte zurück. Devereaux ergriff sein Glas. „Darauf trinken wir!“, forderte er auf.
    Danach ergriff die Dame des Hauses wieder das Wort. „Unsere Marie und wir freuen uns alle auf den Beginn der diesjährigen Ballsaison. Im Winter gibt es noch immer diese herrlich dekadenten Maskenbälle.“
    Marcel hob die Augenbrauchen. Ja, genau. Maskenbälle, das Treffen der Intriganten, Mörder und Verräter in aller Öffentlichkeit. Sie schienen immer noch beliebt zu sein.
    „Werden die Herren uns in diesem Jahr Gesellschaft leisten?“, fragte man sie nun geradeheraus. Gemeint war mit Sicherheit eher der Chevalier als sein Begleiter. Offenbar wollte das Bankierspaar ihre Tochter auf Biegen und Brechen verkuppeln.
    „Ich bedaure, aber das Schloss bedarf meiner Anwesenheit, die

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