Im Bann der Wasserfee
sie.«
»Unterschätzt die Macht des Satans nicht. Er hilft den Seinigen. Der falsche Umgang könnte das Seelenheil Eurer Tochter bedrohen. Sie ist doch Eure Tochter, Majestät?«
Der König zögerte einen Moment, bevor er antwortete. »Wie meint Ihr das?«
»Man sagt, Ihre Mutter sei vom Feenvolk. Könnte Dahut ein Wechselbalg sein?«
Gradlon schüttelte den Kopf. »So ein Unsinn. Es gibt keine Feen. Das müsstet gerade Ihr als ein Mann der Kirche wissen. Verbreitet nie wieder Gerüchte über Dahuts Abstammung. Das ist ein Befehl!« Der König wirkte sichtlich erzürnt, doch der Geistliche schien sich nicht davon einschüchtern zu lassen.
»Aber ihr habt doch selbst gesagt, dass mit Malgven etwas nicht stimmte. Und was ist mit diesem Zauberpferd, das sie Euch überlassen hat? Ihr hättet dieses unselige Geschöpf bereits damals vernichten sollen.«
»Das Pferd kann am allerwenigsten für die Taten der Menschen. Malgven ist tot. Lasst die Toten ruhen. Redet nie wieder über sie! Es ist mir nicht vergönnt, sie zu vergessen.« Der König ging zum Palast zurück.
Ragnar starrte ihm, seinen Männern und Sanctus Corentinus hinterher. Wenn das so weiterging, würde er seine Rache niemals vollenden können. Vielleicht hätte er doch Truppen mitnehmen sollen, doch noch immer war sein Heimatland zu zerschlagen, als dass er solche Verluste riskieren konnte. Auch wollte er die Sache allein regeln und nicht andere Männer hineinziehen. Sie hatten bereits genug gelitten in einem Krieg, der gegen ihn persönlich gerichtet war.
Ragnar hasste Gradlon aus tiefstem Herzen, doch für Dahut ebenso zu empfinden, fiel ihm nicht leicht, obwohl sie die Tochter der beiden Mörder seines Vaters war.
Ragnar und Dylan betraten den Oecus Corinthius , der als Triclinium diente, einer Art Speisesaal. Gradlon selbst hatte sie herbestellt. Es roch bereits nach Wein und vielfältigen Speisen.
Ragnar ließ seinen Blick über das Gelage schweifen. Im Gegensatz zu seinen Landsleuten aßen die Menschen in Ys im Liegen! Zumindest die Männer, während die Frauen Stühle bevorzugten. Dies schrieb Ragnar dem dekadenten Einfluss der Römer zu. Glücklicherweise hatte er sich in den letzten Jahren seiner Reise eine umfassende Allgemeinbildung aneignen können.
Die Speisezimmerliegen waren merklich niedriger als jene, die dem Schlafen dienten. Auch waren sie größer, denn drei Mann fanden darauf Platz. Die Speisezimmerliegen standen zwischen den einzelnen Säulen und ließen zwischen diesen und der Wand einen Gang frei, auf den die Sklaven und Hausdiener die Speisen trugen. Diese reichten bereits Mulsum , eine Mischung aus Wein und Honig, die ihn entfernt an Met erinnerte.
Neben den Liegen standen vereinzelt Stühle, auf denen sich die Frauen niederließen.
»Seid gegrüßt und willkommen zu unserem Festmahl, Verwandter des Königs Cunedda!« Gradlon lag auf einem der Betten und prostete ihnen mit einem Weinpokal zu, bevor er ihn an seine Lippen setzte. Rote Flüssigkeit lief in seinen Bart. Er wischte sie weg. Direkt neben dem König selbst lag oder saß niemand. Nur fünf Leibwächter standen um ihn herum.
Ragnar und Dylan ließen sich auf dieselbe Liege nebeneinander nieder. Die Menschen hier hatten gewiss längst erkannt, dass Dylan, obwohl er ein Diener war, von ihm wie ein Freund behandelt wurde. Ragnar wollte ihn bei derlei Veranstaltungen stets in der Nähe haben.
Er empfand es als höchst ungewohnt, im Liegen zu essen. Einen Eintopf, wie er bei seinem Volk üblich war, würde er nie auf diese Weise zu sich nehmen. Dieser bestand aus allem Möglichen: Kohl, Lauch, Rüben und Bohnen wurden wahlweise mit Dill, Kresse oder Petersilie in einen Topf geworfen und so lange gekocht, bis man nichts mehr von den einzelnen Zutaten erkennen konnte. Nicht, dass Ragnar die Küche seines Volkes vermissen würde ...
Er bemerkte Dahut, die sich auf einen Stuhl zu seiner Linken niederließ. Sie war eine außergewöhnlich schöne Frau, doch ob ihr das raue Klima seiner Heimat zuträglich wäre? Welch abwegiger Gedanke. Sie würde Ys vermutlich niemals verlassen und schon gar nicht würde er sie in seine Heimat mitnehmen.
Auf einem runden Tisch zu seiner Seite stellte man ihm die Speisen und den Wein. Ein Salzfässchen und eine Flasche Essig standen jedem zur Verfügung. Die Schüsseln mit dem Essen befanden sich auf dem Repositorium , einem eigens dafür vorgesehen Möbelstück. Ein Sklave oder Diener – so genau wusste Ragnar das nicht –
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