Im Bann der Wasserfee
sein. Keiner wird dich mehr zum Eheweib wollen.«
Jacut strich sich durch sein schulterlanges hellbraunes Haar. Er war noch immer so attraktiv wie früher, doch heutzutage konnte sie hinter seine Fassade sehen. Dahinter befand sich jemand, dem sie nicht einmal ihre ausgetretenen Sandalen anvertrauen würde.
Jacut sah ihr tief in die Augen. »Besser die Geliebte eines Einzigen, als die aller, findest du nicht auch? Es würde außer uns beiden niemand davon erfahren. Denke nur an die Demütigung, wenn Brioc dich in aller Öffentlichkeit aus der Verlobung entlässt?«
»Niemand wird dir glauben.«
»Oh doch, das werden sie. Sanctus Corentinus darf nicht lügen. Er wird die Wahrheit bezeugen, wenn man diese von ihm fordert.«
Dahut biss sich auf die Lippen. Verzweiflung machte sich in ihr breit. Sie hatte gedacht, Jacut damals losgeworden zu sein. Er wollte sie als seine Hure, sie benutzen, während er gleichzeitig andere Frauen hatte.
Dadurch, dass sie ihm damals in ihrer Liebe und Naivität ihre Jungfräulichkeit geschenkt hatte, war sie angreifbar geworden. Sie hatte damit beträchtlich an Geschäftswert für ihren Vater eingebüßt. Jacut gedachte bereits damals, sie damit zu erpressen. Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn Niamh damals nicht in die Stadt gekommen wäre.
Niamh fand eine Möglichkeit, Dahuts Jungfräulichkeit bei Bedarf vorzutäuschen, was sie Jacut glaubhaft versicherte, ohne ihm zu viele Details zu verraten. Da man ihr bald aufgrund erstaunlicher Heilerfolge übernatürliche Fähigkeiten nachsagte, glaubte Jacut ihr.
Niamh hätte die Wurzel der Blutwurz zerrieben, bis sie rote Flüssigkeit absonderte. Diese sah aus wie Blut. Die Skoten gerbten damit ihr Leder und färbten es zugleich. Doch man konnte sie auch anders verwenden. Die Heilerin hatte einen Schwamm vom Meeresgrund besorgt. Dieser und der Saft der Blutwurz waren dazu geeignet, bei passender Gelegenheit eine Entjungferung vorzutäuschen. Sie hoffte, dass sie niemals dazu gezwungen und noch vor der Hochzeitsnacht aus der Stadt verschwunden sein würde.
Natürlich bestand die Gefahr, dass ihr Vater sie untersuchen lassen würde, doch bisher bestand kein Anlass für ihn dazu. Es wunderte sie, dass Jacut bisher nicht auf diese Idee gekommen war. Sonst war er doch auch so findig und überaus skrupellos. Vielleicht war es ihm zu brenzlig, diesen Vorschlag dem König zu unterbreiten, da der Verdacht auf ihn fallen konnte. Er war nicht der Einzige, der Gradlons Wut und Unberechenbarkeit fürchtete.
Es frustrierte Dahut, dass Männer vor der Ehe mit Dutzenden herumhuren konnten, während Frauen nicht mal ein einziger Liebhaber zugestanden wurde. Offenbar hatte Jacut einen anderen Weg gefunden, sie zu erpressen. Schlimm genug, dass sie damals auf ihn hereingefallen war. Sie hatte sie keineswegs die Absicht, den Fehler zu wiederholen.
»Ich lasse mich nicht erpressen.«
Er starrte sie an. Unglaube und Hass lagen in seinem Blick. »Das wirst du bereuen.« Abrupt wandte er sich um und stolzierte davon.
Dahut starrte ihm nach. Er war nicht schlecht gestellt in der Hierarchie der Stadt. Sollte Gradlon davon erfahren, dass sie ihre Jungfräulichkeit an Jacut verloren hatte, würde er sie womöglich mit ihm verheiraten.
Gewiss, manche Frauen würden sie um ihn beneiden, doch wussten diese nicht von Jacuts notorischer Untreue und seinen sonstigen negativen Persönlichkeitsmerkmalen. Meist hatte er mindestens drei Frauen gleichzeitig, wie sie inzwischen wusste. Sie wollte auf keinen Fall die Rolle seiner ewig hintergangenen Ehefrau spielen.
Der Gedanke, mit ihm oder Brioc verheiratet zu werden, erfüllte sie mit Abscheu. Sie durfte keineswegs länger in Ys bleiben. Doch wie sollte sie aus diesem goldenen Kerker entkommen, jetzt, wo die Tore der Stadt verschlossen waren?
Dahut empfand es als fürchterliche Strafe, wegen eines Fehltritts das gesamte Leben leiden zu müssen.
Kapitel 6
Normalerweise liebte Niamh es, durch die Nacht zu laufen, doch heute war sie von Unruhe erfüllt. Außer ihr durchstreiften zu dieser späten Stunde nur die Schergen ihrer Königin noch die Gassen von Ys. Mittlerweile waren diese schlangenartigen Wesen überall, doch Niamh wusste, wie wenig Macht sie hier besaßen. Dieses Wissen beruhigte sie nicht, da sie jederzeit die Aufhebung von Malgvens altem Schutzzauber befürchten musste, der die Königin davon abhielt, selbst die Stadt betreten zu können. Deutlich schwächer geworden war
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