Im Bann der Wasserfee
Tochter, die ihn danach hassen würde. Gradlons Tod war für ihn die einzige Möglichkeit, Frieden zu erlangen. Dieser oder die nur kurz währende trügerische Ruhe des Schlafes, in den er soeben glitt. Trügerisch, weil ihn dort die wahren Schrecken in seinen Träumen heimsuchten. Vertraut war ihm die Dunkelheit und doch immer wieder fremd und bedrohlich. Sie nahm ihm den Atem. Er wusste, warum er nicht in lichtlosen Räumen schlafen konnte.
Nur ein Streifen Mondlicht schien durch die geöffnete Tür. Er vernahm ein Tropfen. Die Lache breitete sich aus. Immer weiter und immer weiter.
Der süßliche Geruch verursachte ihm Brechreiz. Blut. Überall Blut. Das Blut seines Vaters, das aus seiner Kehle strömte. Es verdunkelte das Laken. Das ganze Bett war damit getränkt. Es tropfte auf den Boden. Das Geräusch machte ihn wahnsinnig. Es war beklemmend. Er schloss die Augen, doch selbst die Dunkelheit nahm nicht die Bilder des Schreckens von ihm.
Sverðlun war tot. Seine Mörder würden nun Ragnar jagen. Ein Schauder überlief seinen Leib. Er spürte bereits ihr Nahen. Sofort war er hellwach.
Ragnar öffnete die Augen einen Spaltbreit, gerade so, dass er etwas sehen konnte. Er ergriff den Dolch, den er mit einer Halterung an seine Hüfte gebunden hatte. Weitere befanden unter seinem Kopfkissen und an seinem rechten Unterarm.
Jemand beugte sich über ihn.
Ragnar fuhr hoch und stieß gleichzeitig zu. Der Mann wollte zurückweichen, dennoch erwischte er ihn. Der Angreifer schrie auf, wohl eher aus Überraschung als vor Schmerz, denn er hatte ihm nur eine oberflächliche Wunde zugefügt. Bevor Ragnar nachsetzen konnte, stürzte der Mann aus dem Raum.
Ragnar sprang aus dem Bett. » Hloðr! Fūlnir! (altnord: Mörder! Stinkender!)«
Nackt, wie er war, rannte er hinaus auf den Flur des Palastes, doch vom Attentäter war keine Spur zu sehen. Mehrere Wachen liefen durch die Gänge. Sie verschwanden gerade um die Ecke, als Dahut ihm entgegenkam.
»Was ist geschehen?«, fragte sie.
Ihm entging nicht, wie sie ihn von oben bis unten betrachtete, das dreiste Weib.
»Nichts ist geschehen. Ein Mörder war in meinem Raum, doch ich konnte ihn in die Flucht schlagen.«
»Seid Ihr verletzt? Lasst mich Euch untersuchen.« Ehe er sich versah, packte sie ihn am Arm und führte ihn in seinen Raum.
»Nicht nötig. Ich habe nichts abbekommen, im Gegensatz zu ihm. Ich habe ihn am Oberarm oder der Schulter getroffen. Dürfte aber nur eine oberflächliche Wunde sein.«
Er erschauerte, als ihre Finger über die Innenseite seines Armes hinunter glitten und wieder hinauf.
Dahut sah ihn an. »Ich werde die Augen offen halten.«
Seit Niamh verschwunden war, half Dahut den Kranken und Verletzten, wodurch sie in seiner Achtung stieg. Nicht jede Prinzessin tat dies für ihre Leute.
»Er wird wohl kaum zu einer Heilerin gehen«, sagte Dahut.
»Das denke ich auch. Doch halte trotzdem die Augen offen. Danke, Dahut.«
Sie umfasste auch seinen anderen Arm. »Ragnar, es tut mir leid, dass ich gedacht habe, du und Aouregwenn ... Dabei geht es mir gar nichts an. Ich war nur erschüttert über ihren Vertrauensbruch. Es tut mir auch leid, dass der Mörder hinter dir her ist. Ich kann dir gar nicht sagen, wie leid. Mein Vater würde dich vielleicht hier herauslassen, wenn du ihm versprichst, nach Gwynedd abzureisen.«
Was meinte sie mit dem Vertrauensbruch Aouregwenns?
»Ich habe nichts mit Aouregwenn. Sie hat sich mir aufgedrängt.« Es war ihm wichtig, ihr das zu sagen, auch wenn er nicht genau wusste, warum.
Seine Hände glitten um ihre Hüften. »Der Mörder ist auch hinter dir her. Hier gehen seltsame Dinge vor. Ständig komme ich mir beobachtet vor, aber ich sehe niemanden. Mir dünkt es, als würden Geister durch die Stadt schleichen. Irgendetwas ist dort draußen.«
»Machst du dir Sorgen um mich?«
»Ich habe geschworen, dich nach Gwynedd mitzunehmen und ich halte mich an meine Schwüre.«
»Ist das alles? Nur wegen eines Schwurs würdest du mich mitnehmen?« Sie presste sich an ihn, was ihn überaus erregte.
»Was machst du da?«, fragte er mit heiserer Stimme.
Sie legte den Kopf in den Nacken. »Wonach sieht es denn aus«? Ein trauriges Lächeln umspielte ihre Mundwinkel, dennoch wirkte sie überaus verführerisch auf ihn. »Ich will Brioc nicht heiraten. Nimm mich mit nach Gwynedd. Bitte.« Sie schlang die Arme um seinen Hals. Zuerst folgte sie mit der Zunge der Kontur seines Mundes. Sachte strich sie mit ihren Lippen über die
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