Im Bann der Wasserfee
weitere Männer trugen Niamhs Truhe herein, stellten sie vorsichtig vor Dahut hin und schlugen den Deckel zurück. Sie starrte hinein.
»Und?« Gradlon sah sie scharf an, als würde er jede ihrer Regungen mitbekommen wollen.
Dahuts Lippen bebten. In dieser Truhe lagerte Niamh all die gefährlichen Substanzen. Sie betrachtete nacheinander die enthaltenen Fläschchen und Tiegel.
»Das Mandragorapulver fehlt.«
Gradlon starrte sie an. »Mandragorapulver?«
Sie nickte. »Aus der Wurzel des Teufelsapfels. Wir verwenden es gegen Warzen und zur Förderung der Fruchtbarkeit.«
Gradlos runzelte die Stirn. »Teufelsapfel? Mandragora? Nie gehört. Ist das giftig?«
»Ja, in der entsprechenden Dosierung. Warum wollt Ihr das wissen?«
»Weil wir befürchten, dass Briocs Vorkoster dadurch ums Leben gekommen ist.. Wie kommt es, dass ich noch nie zuvor von dieser Pflanze gehört habe?«, fragte Gradlon.
»Vermutlich, weil sie hier nicht wächst. Niamh hatte das Pflanzenpulver von den Händlern auf den Schiffen. Es schmeckt bitter. Mich wundert, dass der Vorkoster das nicht gemerkt hat.« Noch mehr wunderte es sie, dass Niamh diese Dinge nicht mitgenommen hatte, was für eine Entführung sprach oder eine überstürzte Flucht. Das alles war ihr ein Rätsel.
Gradlon hüstelte. »Nun, Brioc isst recht gerne und viel, was nur übertroffen wird durch seinen Weinkonsum, dem auch sein Vorkoster frönt. Womöglich waren sie bereits etwas angetrunken, als der Vorkoster den vergifteten Wein zu sich genommen hat.«
Dahut war überrascht über seine Offenheit. Sie merkte ihm an, dass er ihr diese Information nur widerwillig gab. Nette Aussichten. Mit so einem Säufer wollte ihr Vater sie verheiraten, nur um politische Vorteile zu erwirken und sie loszuwerden!
Sie wandte sich an den Kommandanten. »Wo waren die Wachen, die vor Niamhs Haus postiert waren, als Dylan ins Haus eingedrungen ist?«
»Sie mussten gewisse Dinge entleeren.«
Dahut zog die Augenbrauen zusammen. Sie wusste von der zunehmenden Nachlässigkeit der Stadtwache, für deren Verdruss der Kommandant weniger konnte als Gradlon aufgrund seiner Hungerlöhne.
»Zu zweit?«, fragte sie.
»Eine Verfehlung, für die ich sie bestrafen lassen werde«, sagte der Kommandant der Wache.
»Wo ist die Flasche?«, fragte der Kommandant Dylan.
»Ich habe keine Flasche an mich genommen. Es war bereits alles so, als ich dort ankam.«
»Was hattet Ihr überhaupt dort zu suchen?«, fragte Gradlon.
»Niamh. Ich habe Niamh gesucht.«
Gradlon zog die Brauen zusammen. »Sie zu suchen ist die Aufgabe der Stadtwache. Ich glaube Euch kein Wort.« Sein Zorn schien sich zu steigern.
»Vater, bitte«, sagte Dahut. »Ich weiß, dass Eure Nachtwache nicht immer dort ist, wo sie sein soll. Die Hälfte der Leute ist spiel- und trinksüchtig.«
Wären sie es nicht, womöglich hätten sie Niamh gefunden. Dahut verspürte Verbitterung. Dylan war unschuldig. Warum sollte er Brioc töten wollen?
Gradlon runzelte seine Stirn. »Ach, und woher willst du das wissen?«
»Ich habe es selbst gesehen.«
Der König trat einen Schritt näher zu ihr. »Selbst gesehen? Wie oft habe ich dir gesagt, dass du nachts in deinem Zimmer bleiben sollst. Ich werde deine Balkontür zumauern lassen!« Gradlon wandte sich zu Dylan. »Und nun zu Euch: Warum habt Ihr Niamh gesucht?«
»Weil sie mir etwas bedeutet.«
Der König hob eine Augenbraue. Unglaube lag in seinem Blick. »So?«
»Aber, Vater, wie soll er das Fläschchen verschwinden haben lassen? Außerdem hat er doch gar kein Motiv, Brioc töten zu wollen.«
»Man weiß nie, wer sein Auftraggeber ist. Schließlich hat Brioc, wie jeder mächtige Mann, fast ebenso viele politische Feinde wie ich. Niamhs Haus hat viele versteckte Winkel. Ich werde es nochmals durchsuchen lassen. Kommandant!«
Der Kommandant nickte Gradlon zu.
»Führt ihn ab!«, sagte Gradlon. »Er soll eingesperrt bleiben, bis der Fall gelöst ist.«
»Warum lässt man Gifte in einem verlassenen Haus?«, fragte Dahut den Kommandanten.
»Auf Anweisung des Königs. Weil keiner bessere Schlösser besitzt als Niamh.«
Dahut wusste von Gradlons Faszination für die ägyptischen Schlösser. Auch er hatte welche in seinem Schlafgemach anbringen lassen wollen, doch das Handelsschiff, das diese bringen sollte, war noch nicht eingetroffen.
»Hatte, Kommandant, hatte. Nichts ist sicher«, sagte Dahut.
»Es wäre sicher gewesen, wären die Wachen an ihrem Platz geblieben«, sagte der Kommandant,
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