Im Bann der Wasserfee
ausgebildet.«
Niamh hob den Blick. »Wer wird mich unterrichten?«
»Ireth.«
»Ireth? Ich dachte, sie wäre tot.«
»Das denken viele.«
»Wo war sie in all den Jahren?«
»Das hat sie nicht einmal uns gesagt.«
Niamh erinnerte sich an die Magierin, die niemals mit Deirdres Hang zu dunkler Magie einverstanden gewesen war, doch da man nicht auf ihre Warnungen gehört hatte – die Verlockungen von Macht und Wohlstand waren stärker gewesen –, hatte sie sich zurückgezogen an einen unbekannten Ort, vermutlich in die Wälder der Hochebene von Gwragedd Annwn oder das Kristallgebirge.
»In einem der Schränke im untersten Raum sind Waffen.«
Mehr brauchte Merenwen nicht zu sagen. Niamh war nirgendwo sicher, denn die Königin würde ihre Jäger nach ihr aussenden. So wie sie einen davon beauftragen würde, Dahut zu töten, sobald die Barriere von Malgvens dahinschwindendem alten Zauber durchbrochen sein würde. Doch bis diese vollständig zerstört sein würde, konnten nur sehr magiebegabte Wesen die schwächer werdende Barriere durchdringen. Deirdre gelang dies noch immer nicht, da der Zauber speziell gegen sie gerichtet war. Die Schlangenschatten hingegen waren nur halb körperliche Wesen, sodass sie auch durch Zauber geschützte Weltentore leichter zu durchdringen vermochten.
Niamh fragte sich immer noch, wie es ihr selbst gelungen war, hindurchzukommen. Offenbar war sie tatsächlich zu größerer Magie fähig, als sie bisher geahnt hatte. Doch im Moment waren ihre meisten magischen Fähigkeiten – außer dem Erschaffen von Portalen, was zu ihren besonderen Begabungen zu gehören schien –, eher gering. Erst durch Übung konnten sie vollends entfaltet werden.
Nur wenn sie an eine der speziellen magischen Waffen gelangen könnte, würde sie Deirdre töten können. Ohne diese ginge es nur mithilfe ihrer eigenen magischen Fähigkeiten – wie hoch diese auch immer sein mochten. Doch zuvor mussten sie diese erstmal entwickelt werden. Dann könnte sie gegen Deirdre antreten – sofern sie lange genug überlebte.
Im Moment war sie nur deshalb einigermaßen sicher, weil Deirdres Angriffsziel nicht sie, sondern in der Menschenwelt gelegen war: Dahut würde sterben. Niamh lief die Zeit davon.
Kapitel 12
Ragnar streifte den ganzen Tag durch Ys, in der Hoffnung, eine Schwachstelle in der Befestigung der Stadtmauer zu finden. In regelmäßigen Abständen befanden sich Mauertürme. Sie hatten sowohl die langen senkrechten Schießscharten, die für Bogenschützen ideal waren, als auch die niedrigeren breiteren für die römischen Armbrüste mit den Hornbögen.
Gradlon schien unter Verfolgungswahn zu leiden und in jeder Himmelsrichtung einen Feind zu vermuten. Zu Recht. An seiner Stelle würde Ragnar auch Angst haben, verdammte Angst. Nur Narren kannten diese nicht. Mut bedeutete nicht, keine zu empfinden, sondern sich nicht davon beherrschen und die notwendigen Taten dennoch durchzuführen.
Nach Einbruch der Dunkelheit machte Ragnar sich auf den Rückweg zum Palast, da er mit Dahut verabredet war. Er empfand Verärgerung darüber, dass er noch keine Lösung gefunden hatte. Zumindest wusste er jetzt, wo sich der Stall von Gradlons magischem Pferd befand. Das Tier musste eine Wunderwaffe für jeden Krieger sein. Entsprechend viele Wachen befanden sich vor dem Stall. Fast so viele wie vor den Toren.
Als Ragnar die Allee erreichte, die zum Palast führte, war es bereits stockdunkle Nacht. Die meisten Leute waren inzwischen zu Bett gegangen. Ob Dahut bereits draußen war?
Als er näherkam, drang Brandgeruch in seine Nase. Aus der Ferne vernahm er Schreie. Endlich verließ er die Allee. Menschen huschten aufgeregt über den Palastvorhof. Hinter ihnen erkannte er den Palast, aus dessen Dach Flammen schlugen wie gigantische Kerzenlichter. Rauchschwaden zogen über den Nachthimmel. Wachmänner standen in Reihen davor und reichten sich Eimer, in die sie Wasser aus den zahlreichen öffentlichen Brunnen in Palastnähe gefüllt hatten.
Als er nähertrat, kam der Kommandant der Stadtwache auf ihn zu. »Rhain Bedwyn, Euer Gemach brennt!«
Ragnar fluchte leise.
»Wir vermuten Brandstiftung. Daher möchten wir mit Euch reden.« Er stand jetzt neben ihm. »Habt Ihr Feinde? Leute, die Euch Böses wollen?«
Unzählige hatte er davon, allen voran Gradlon, doch letzteres konnte er dem Kommandanten wohl kaum sagen.
»Nicht in Ys. Zumindest nicht, dass ich wüsste. Ich habe niemandem etwas getan. Nun,
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