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Im Bann der Wüste

Im Bann der Wüste

Titel: Im Bann der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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zusammenzog. Messremb mühte sich, durch seine zusammengeschnürte Kehle Luft zu holen. Die roten Ränder um seine dunkelbraunen Augen bekamen einen Stich ins Bläuliche, und die Augen quollen jetzt deutlich sichtbar hervor.
    Ruud hatte sich ein Stück zurückgezogen und verschlang in aller Seelenruhe die abgetrennte Tatze mitsamt Knochen und Pelz.
    »Mappo«, sagte Icarium. »Siehst du den Arm jenes Fremden, der das Leben aus ihm herausquetscht? Verstehst du? Es wird für Messremb keine ewige Gefangenschaft geben. Der Vermummte wird ihn holen – der Tod wird ihn ereilen, genau wie den En’karal …«
    Die miteinander verschlungenen Wurzeln der gegenüberliegenden Wände streckten sich vor – und berührten sich beinahe.
    »Das Labyrinth bekommt eine neue Wand«, sagte Crokus.
    »Dann macht schnell«, schnappte Fiedler und kam endlich auf die Beine. »Alle hier rüber.«
     
    Sie gingen weiter, erneut schweigend. Fiedler bemerkte, dass seine Hände, in denen er seine kümmerliche Waffe trug, unablässig zitterten. Und sein Geist war von der Kraft und der Wildheit, die er vor wenigen Minuten miterlebt hatte, regelrecht betäubt.
    Wir können das hier überhaupt nicht überleben. Selbst hundert Schattenhunde wären nicht genug. Die Gestaltwandler sind zu Tausenden hierher gekommen, hierher, auf das Gebiet Tremorlors … Wie viele von ihnen werden das Haus erreichen? Nur die Stärksten. Die Stärksten … Und was wollen wir uns erdreisten? In das Haus einzutreten, das Tor zu suchen, das uns nach Malaz bringen kann, das uns zum dortigen Totenhaus bringen kann. Bei den Göttern, wir sind nur unwichtige Figuren in diesem Spiel … mit einer Ausnahme. Mit Ausnahme eines Mannes, dessen Macht wir nicht entfesseln dürfen, eines Mannes, den selbst der Azath fürchtet.
    Die Geräusche erbitterter Kämpfe drangen von überallher an ihre Ohren. In den anderen Gängen dieses grässlichen Labyrinths fand ein Gemetzel statt, von dem Fiedler wusste, dass sie ihm nicht ewig würden aus dem Weg gehen können. In der Tat waren die schrecklichen Geräusche lauter geworden, waren näher gekommen. Wir nähern uns dem Haus. Wir laufen alle aufeinander zu …
    Er blieb stehen, drehte sich zu den anderen um. Er brauchte keine Warnung auszusprechen, denn in jedem Gesicht, in jedem Blick sah er die gleiche Erkenntnis.
    Klauen scharrten über den Boden, und Fiedler wirbelte herum. Shan kam angerannt, wurde schnell langsamer, nachdem sie zuvor wie von Furien gehetzt dahingerast sein musste. Ihre Flanken hoben und senkten sich hastig – und sie war von zahllosen Wunden übersät.
    Oh, beim Vermummten …
    Ein anderes Geräusch drang zu ihnen. Es kam von weiter vorn auf ihrem Weg, von dort, wo die Hündin gerade hergekommen war.
    »Ich hatte ihn gewarnt!«, rief Icarium. »Gryllen! Ich hatte dich gewarnt!«
    Mappo hatte die Arme um den Jhag geschlungen.
    Icariums plötzlicher Wutausbruch brachte alles um sie herum zum Schweigen – als würde ein ganzes Gewirr den Atem anhalten. Der Jhag schien reglos in der Umarmung seines Freundes zu verharren, doch der Sappeur konnte sehen, wie sich die Muskeln in den Armen des Trell anspannten, gegen eine unsichtbare Macht ankämpften. Das Geräusch, das Mappo ausstieß, enthielt so viel Qual, so viel Kummer und Furcht, dass Fiedler in sich zusammensank. Tränen schossen ihm in die Augen.
    Blind trat ein wenig von Icarium weg, und zu sehen, wie sie den Schwanz senkte, versetzte dem Sappeur einen Schock.
    Ruud und Baran gesellten sich zu Shan, und gemeinsam formierten sie sich zu einer nervösen Barriere – mit Fiedler auf der falschen Seite. Er taumelte rückwärts, seine Beine bewegten sich ruckartig, als hätte er eine ganze Gallone Wein in den Adern. Er wandte den Blick nicht von Icarium, als die Ecke, auf die sie alle zuwankten, schließlich ihr entsetzliches Geheimnis enthüllte.
    Alle drei Hunde zuckten zusammen und machten einen Satz rückwärts. Fiedler wirbelte herum. Ein Stück weiter vorn wurde der Pfad von einer neuen Wand blockiert – einer brodelnden, sich in ständiger Bewegung befindlichen Wand. Du meine Güte! So treffen wir uns also wieder …
     
    Das Mädchen war nicht älter als elf oder zwölf. Sie trug eine Lederweste, die mit sich überlappenden Bronze-Schuppen besetzt war  – flach gehämmerten Münzen, wie ein zweiter Blick verriet –, und der Speer, den sie in den Händen hielt, war so schwer, dass er schwankte, während sie entschlossen die Haltung einer Wache

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