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Im Bann der Wüste

Im Bann der Wüste

Titel: Im Bann der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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mitgemacht.
    Die Gruppe blieb einen Augenblick stehen, um sie schweigend zu betrachten; dann marschierten alle zusammen weiter auf die Tür zu.
    Apsalar war die Erste, die den Hauptraum betrat. Die Flammen in dem steinernen Kamin schienen ohne Holz oder andere Nahrung zu brennen, und eine merkwürdige Schwärze an den Rändern verriet, dass es sich um ein kleines Portal handelte, das zu einem Gewirr hin geöffnet war, in dem unablässig Feuer brannte.
    Vor dem Feuer stand eine Gestalt. Sie starrte in die Flammen und drehte ihnen den Rücken zu. In verblichene ockerfarbene Gewänder gekleidet, wirkte der Mann kräftig; er hatte breite Schultern und war mindestens sieben Fuß groß. Ein langer eisengrauer Pferdeschwanz, der knapp oberhalb seines Kreuzes mit einem Stück einer glanzlosen Kette zusammengebunden war, hing ihm weit über den Rücken.
    Ohne sich umzudrehen, begann der Wächter mit tiefer, grollender Stimme zu sprechen. »Euer Versagen im Hinblick auf Icarium ist bemerkt worden.«
    Fiedler grunzte. »Nun, letztlich war das gar nicht so sehr unsere Sache. Mappo – «
    »Oh ja, Mappo«, unterbrach ihn der Wächter. »Der Trell. Es scheint, als sei er schon zu lange an Icariums Seite gewandert. Es gibt Pflichten, die wichtiger sind als jede Freundschaft. Die Älteren haben ihm tiefe innere Wunden zugefügt, als sie eine ganze Siedlung zerstört und die Schuld Icarium untergeschoben haben. Sie haben gedacht, das würde reichen. Es wurde verzweifelt ein Wächter gebraucht. Derjenige, der sich zuvor diese Verantwortung aufgebürdet hatte, hatte sich das Leben genommen. Monatelang ist Icarium allein durch das Land gezogen, und die Bedrohung war viel zu groß.«
    Fiedler hörte die Worte, und als er begriff, was sie bedeuteten, hatte er das Gefühl, sie würden ihn innerlich zerreißen. Oh nein. Mappo glaubt, dass Icarium sein Heim zerstört hat, dass er seine Familie und alle, die er gekannt hat, ermordet hat. Wie konntet ihr nur so etwas tun?
    »Der Azath hatte lange auf diesen Augenblick hingearbeitet, Sterbliche.« Der Mann drehte sich um. Große Hauer umrahmten seinen schmalen Mund; sie ragten über seine Unterlippe hinaus. Der grünliche Farbton seiner von Wind und Wetter gezeichneten Haut verlieh ihm trotz des warmen Lichts, das das Feuer verströmte, ein gespenstisches Aussehen. Augen, die die Farbe von schmutzigem Eis hatten, richteten sich auf sie.
    Fiedler starrte den Mann an. Er konnte nicht glauben, was er sah  – doch die Ähnlichkeit war unverkennbar, sie fand sich in jeder Einzelheit seines Gesichts. Fiedlers Gedanken rasten.
    »Mein Sohn muss aufgehalten werden – seine Wut ist ein Gift«, sagte der Jaghut. »Es gibt eine Art von Verantwortung, die wichtiger ist als jede Freundschaft, wichtiger selbst als Blutsbande.«
    »Es tut uns Leid«, sagte Apsalar leise nach einer langen Pause, »aber die Aufgabe war zu groß für uns, war zu groß für die, die Ihr hier vor Euch seht.«
    Die kalten, unmenschlichen Augen richteten sich auf sie. »Vielleicht hast du Recht. Es ist an mir, mich zu entschuldigen. Ich hatte so viel … Hoffnung.«
    »Warum?«, fragte Fiedler flüsternd. »Warum ist Icarium so verflucht?«
    Der Jaghut neigte den Kopf zur Seite, drehte sich dann abrupt wieder zum Feuer um. »Verwundete Gewirre sind gefährlich. Und eines zu verwunden ist noch viel gefährlicher. Mein Sohn hat nach einer Möglichkeit gesucht, mich aus dem Azath zu befreien. Er ist gescheitert. Und wurde … beschädigt. Er hat damals nicht verstanden – und wird es jetzt niemals mehr begreifen –, dass ich hier zufrieden bin. Es gibt in all den Sphären nur wenige Orte, die einem Jaghut Frieden gewähren, oder sagen wir besser, die Art von Frieden, die wir erlangen können. Im Gegensatz zu eurer Art sehnen wir uns nach der Einsamkeit, denn sie allein bietet uns Sicherheit.«
    Er wandte sich ihnen erneut zu. »Was Icarium betrifft, gibt es noch eine weitere Ironie. Ohne Erinnerung hat er keine Ahnung mehr, was ihn damals angetrieben hat. Er weiß nichts mehr von verwundeten Gewirren oder den Geheimnissen des Azath.« Das unverhoffte Lächeln des Jaghut wirkte schmerzlich. »Und er weiß auch nichts mehr von mir.«
    Apsalar hob plötzlich den Kopf. »Ihr seid Gothos, nicht wahr?«
    Er antwortete nicht.
    Fiedlers Blick fiel auf eine Bank an der nahen Wand. Er humpelte hinüber und setzte sich hin. Dann lehnte er den Kopf gegen die warme steinerne Mauer und schloss die Augen. Bei den Göttern, unsere Kämpfe sind

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