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Im Bann der Wüste

Im Bann der Wüste

Titel: Im Bann der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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der Armee der Apokalypse herüber, mischte sich mit dem rhythmischen Klirren von Waffen auf Schilden.
    Die Seesoldaten marschierten der Furt schweigend entgegen. Stimmengewirr und Geschepper rollten wie eine Woge über sie hinweg. Doch die Siebte zauderte nicht.
    Oh ihr Götter, was wird mit uns geschehen?
    Der P’atha war ein knöcheltiefes Rinnsal aus warmem Wasser, das nicht einmal ein gutes Dutzend Schritte breit war. Die Kiesel und Steine im Wasserlauf waren von Algen überwuchert. Die größeren Felsbrocken waren weiß von Vogelkot. Insekten summten und tanzten durch die Luft. Die kühle Brise, die der Fluss trotz seines geringen Wasserstands mit sich geführt hatte, verschwand, sobald Duiker das gegenüberliegende Ufer betrat, und die Backofenglut des Beckens legte sich wie ein Umhang über ihn.
    Schweiß tränkte die wattierte Tunika, die der Historiker unter seinem Kettenhemd trug; er rann, schmutzigen Rinnsalen gleich, bis in seine Handschuhe und nässte seine Handflächen. Duiker packte den Schild fester, während die andere Hand auf dem Knauf seines kurzen Schwerts ruhte. Sein Mund war plötzlich furchtbar trocken, doch er widerstand dem dringenden Bedürfnis, einen Schluck aus seiner Gürtelflasche zu nehmen. In der Luft hing der Geruch der Soldaten, die vor ihm marschierten – ein Miasma aus Schweiß und Angst. Außerdem war da noch ein anderes Gefühl, eine merkwürdige Melancholie, die den unbarmherzigen Vormarsch der Kompanie zu begleiten schien.
    Duiker hatte dieses Gefühl schon früher erlebt, vor vielen Jahrzehnten. Es hatte weder mit der Angst vor einer Niederlage noch mit Verzweiflung zu tun. Die Traurigkeit erwuchs aus etwas, das weit über solche aus dem Bauch heraus erfolgenden Reaktionen hinausging, und sie wirkte wohl überlegt und hellwach.
    Wir gehen, um am Tod teilzuhaben. Und in diesen Momenten, bevor die Klingen blank gezogen werden, bevor Blut den Boden tränkt und Schreie die Luft erfüllen, wird uns allen die Sinnlosigkeit unseres Tuns bewusst. Ich glaube, wenn wir unsere Rüstungen nicht hätten, würden wir alle weinen. Wie sonst sollte man auch auf etwas antworten, das unermessliche Verluste verspricht?
    »Unsere Schwerter werden heute viele neue Scharten bekommen«, sagte List neben ihm mit krächzender, überkippender Stimme. »Was ist nach Eurer Erfahrung schlimmer, Herr – Staub oder Schlamm?«
    Duiker grunzte. »Staub bringt dich zum Husten. Staub macht dich blind. Aber Schlamm lässt die Welt unter deinen Füßen wegrutschen.« Und wir werden schon bald im Schlamm stehen, wenn erst genug Blut und Galle und Pisse den Boden getränkt hat. Wir werden es mit beiden Flüchen zu tun bekommen, mein Junge. »Dann ist dies also deine erste Schlacht?«
    List schnitt eine Grimasse. »Da ich mich immer an Eurer Seite aufhalten musste, war ich noch nicht im dicksten Getümmel, Herr.«
    »Das klingt, als würde dich das ärgern.«
    Der Korporal gab keine Antwort, doch Duiker hatte auch so verstanden. Lists Kameraden hatten schon alle ihr erstes Blut vergossen, und das war eine Schwelle, die jeder Soldat gleichermaßen fürchtete wie herbeisehnte. Die Vorstellungskraft flüsterte einem falsche Dinge ins Ohr, die nur die Erfahrung zerschmettern konnte.
    Trotzdem wäre dem Historiker ein etwas entfernterer Aussichtspunkt lieber gewesen. Wenn er mit den Soldaten marschierte, konnte er außer den Leibern um sich herum nichts sehen. Warum hat Coltaine mich hierhin gesteckt? Er hat mir meine Augen genommen, verdammt soll er sein.
    Sie waren noch hundert Schritte von der Rampe entfernt. Reiter galoppierten an der Frontlinie der flankierenden feindlichen Streitkräfte entlang, um dafür zu sorgen, dass alle auf Position blieben. Das Getrommel auf den Schilden und das wütende Geschrei versprachen Blutvergießen, und lange würden sich die Gefühle nicht mehr im Zaum halten lassen. Dann werden sie uns von drei Seiten angreifen, und sie werden versuchen, uns von der Infanterie der Siebten abzuschneiden, während die damit beschäftigt ist, die Verwundeten zu verteidigen. Sie werden die Schlange enthaupten, wenn sie dazu in der Lage sind.
    Die Reiter des Krähen-Clans machten ihre Bogen und Lanzen bereit; sie hefteten ihre Blicke auf die Stellungen der Feinde und ließen sie nicht mehr aus den Augen. Ein Hornsignal war der Befehl, die Schilde bereit zu machen. Die vorderste Reihe schob sie überlappend übereinander, während sie im Zentrum und im hinteren Bereich über die Köpfe gehoben

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