Im Bann des Adlers
Informanten? Wer wird denn so blöd sein und sich selbst zu erkennen geben?“ zweifelte José.
Aber sein Freund war anderer Meinung. „Es gibt immer wieder Menschen, die mit ihren Taten prahlen, obwohl sie verwerflich sind. Da Geronimo im Gefängnis sitzt, können wir das gut als Lockmittel benutzen. Dein Gesprächspartner könnte behaupten von dem Typen unter Druck gesetzt worden zu sein, damit er ihn unterstützt. Das kannst du ihm ja vorsichtig andeuten. Er erhält durch seine Aussage mit Sicherheit mildernde Umstände.“
„Einen Versuch ist es wert und im Moment haben wir sowieso keine anderen Spuren. Ich gehe gleich mal ins Geschäft und suche mir die Nummer von dem Mann raus mit dem ich immer zu tun habe. Sobald ich weitergekommen bin, gebe ich euch wieder Bescheid.“ Er drehte sich um und eilte davon. Die zwei Liebenden sahen sich an und Mercedes meinte. „Armer José, ich weiß es geht ihm schlecht. Hoffentlich taucht seine Freundin bald wieder auf. Nichts ist schlimmer als die Ungewissheit.“ Fest drückte Hernandez sie an sich und hatte ein schlechtes Gewissen so glücklich zu sein, während sein bester Freund so litt.
Hernandez
Seine Freundin löste sich sanft, aber bestimmt, wieder aus der Umarmung. Verwirrt sah er sie an. „Was ist los?“ Sie strich ihm liebevoll über die Wange und antwortete. „Sei mir nicht böse, aber mir spukt immer noch im Kopf herum, was Magistrado Riboz gestern zu mir gesagt hat. Die ganzen Erinnerungen waren auch für mich so qualvoll, dass ich vieles davon einfach verdrängt habe. Außerdem war ich ja auch noch sehr jung und habe einiges von dem, was vor sich ging gar nicht begriffen. Jetzt ist es an der Zeit, mich damit zu befassen.“ Mitfühlend sah ihr Freund sie an. „Kann ich etwas für dich tun?“, fragte er. „Ja, aber es wird dir nicht gefallen. Ich möchte einige Zeit für mich alleine sein um alles aufarbeiten zu können. Ist das Ok für dich?“
„Nein, doch ich kann dich verstehen und respektiere deinen Wunsch.“ Dankbar strahlte Mercedes und küsste ihn. „Was glaubst du wie viel Zeit brauchst du?“, erwiderte Hernandez. „Ich weiß es nicht, vielleicht ein oder zwei Tage.“ Überlegte sie. „Pass auf, wir machen Folgendes. Ich werde in Hillarys Wohnung gehen, sie ist eh noch im Krankenhaus und falls sie raus kommt, wird sie froh sein, wenn ich da bin. Du hast alle Zeit der Welt mi corazón, versprich mir nur, dass du dich in jedem Fall bei mir meldest, wenn du mich brauchst. Ich sage José Bescheid, wo er mich findet.“ Innig verabschiedeten Sie sich voneinander.
Mercedes
Während Hernandez sich auf den Weg zur Wohnung seiner Schwester machte, die nur einen Steinwurf von seiner entfernt lag, zog Mercedes ihre Joggingschuhe und eine leichte Sweatjacke an. Das beste Mittel um den Kopf frei zu bekommen ist Laufen, hatte ihre Mutter immer gesagt. Diesen Rat befolgte sie schon seit ihrem 14. Lebensjahr und er bewährte sich immer. Das bergige Gelände von Matavenero
gewohnt, fiel es ihr leicht die geraden und gut ausgebauten Wege Valencias entlang zu joggen. In kürzester Zeit befand sie sich an der 3,5 km entfernten Strandpromenade. Um diese Jahreszeit war das Meer herrlich rau und hohe Wellen brachen sich am feinen Sandstrand. Es war früher Nachmittag, doch hier wehte ein salziger Wind, der die Luft kühlte.
Mercedes fröstelte, während ihre Gedanken schon in die Vergangenheit abschweiften. In dem Sommer, als sie Victor zum ersten Mal begegnete, war es besonders heiß. Sie wusste noch genau, dass sie an diesem Tag abgeschnittene Hosen von ihrem Vater trug, die ihr um den Bund viel zu weit waren. Mit einem Ledergürtel schnürte sie diese an der Taille zusammen. Als Oberteil diente ihr eine abgetragene Bluse, welche bereits um ihren Busen spannte. Da ihre Familie sich hauptsächlich aus Eigenanbau ernährte, kam sie gerade dreckverschmiert vom Feld zurück, wo sie Rüben gestochen hatte. Weil ihre Arbeit für heute erledigt war, bog sie freudig pfeifend um die Ecke des Feldweges und rannte den jungen Mann dahinter fast um. Das Erste, was ihr an ihm auffiel, waren diese unglaublich schönen stahlgrauen Augen. Blitze zuckten durch ihren Magen und der Mund war plötzlich wie ausgedörrt. „Hola guapa!“ Begrüßte er sie und sah bewundernd an ihr hinunter. Durch seine Musterung an ihre unpassende Kleidung erinnert, reagierte sie verärgert. „Schön sind die Frauen in der Stadt, hier oben wirst du nur gewöhnliche arbeitende Menschen
Weitere Kostenlose Bücher