Im Bann des Falken
hatte.
Bethany stieß mit dem Fuß an etwas, das beim Rollen ein metallisches Geräusch von sich gab. Die Stablampe! Rasch hob sie diese auf, ehe sie Zakr aus der Höhle folgte. Die Stablampe hatte sie wieder daran erinnert, warum, sie in die Jebel-Hafit-Berge gefahren war.
Ich bedeute Zakr nichts, überlegte Bethany niedergeschlagen.
Wie sollte sie das auch? Sie kam aus einer anderen Welt. Einem anderen Kulturkreis. Der Scheich begehrte nur ihren Körper und wollte sein Vergnügen mit ihr haben, mehr nicht. Nur ihr Vater liebte sie, und jetzt war sie drauf und dran, ihn im Stich zu lassen …
Entschlossen straffte Bethany die Schultern. Sie mußte sich durchsetzen … um ihres Vaters und ihrer selbst Willen. “Zakr, ich gehe in den Höhlen nach Spuren von meinem Vater suchen, während du den Funkspruch durchgibst”, erklärte sie bestimmt.
“Das kannst und darfst du mir nicht verweigern”, setzte sie bittend hinzu.
Er sah sie einen Moment an, dann nickte er langsam. “A lso gut.”
“Danke.” Bethany atmete erleichtert auf.
Zakr verzog die Lippen auf eine Weise, die alles mögliche bedeuten konnte, doch Bethany nahm sich nicht die Zeit, darüber nachzudenken.
Das Ergebnis der Untersuchung war niederschmetternd. Die Höhlen waren nicht nur leer, sondern boten auch keinerlei Anzeichen, daß sie jemals bewohnt gewesen waren, genau wie P.J. es vorausgesagt hatte. Bethany konnte sich nicht einmal vorstellen, wie Menschen dort gelebt haben sollten. Die Höhlen waren so nackt und kahl, ohne die kleinste Annehmlichkeit …
bedrückend. Dennoch hatten die Urmenschen an solchen Orten Schutz vor den Naturgewalten gefunden. Und taten es selbst heute noch. Die Schihuh waren kein Mythos. Es gab sie wirklich.
Bethanys Vater war fasziniert von der Vorstellung gewesen, daß ein blauäugiger Stamm mitten in einem Land lebte, in dem die übrigen Bewohner dunkeläugig waren. Woher waren die Schihuh gekommen? Wie hatten sie überlebt? Gab es sie heute noch? Verzweiflung übermannte Bethany. Oder waren sie ausge löscht worden … zusammen mit ihrem Vater?
Ihr kamen die Tränen. War ihr Vater wirklich tot, wie Zakr behauptete? Sie dachte an seine Worte am Flughafen. “In diesem Land gelten andere Maßstäbe als bei Ihnen … Wenn man von jemandem längere Zeit kein Lebenszeichen erhalten hat…”
In den Höhlen, die Bethany durchforscht hatte, war sie nicht einmal auf ein Papierschnipsel gestoßen. Kein Lebenszeichen …
Dies war die letzte Höhle, und in keiner hatte sie etwas entdeckt, das auch nur Anlaß zum kleinsten Hoffnungsschimmer gegeben hätte. Bethany seufzte mutlos und wollte aufgeben, ließ den Strahl der Stablampe jedoch noch einmal durch die Höhle schweifen.
Der Strahl erfaßte den Rand einer Kohlezeichnung. Die Hinterlassenschaft eines Urmenschen, überlegte Bethany resigniert und trat näher, um die Zeichnung genauer zu betrachten. Eine Mondsichel, entschied Bethany, und etwas, das wie die groben Umrisse eines Hammers aussah. Sie hielt die Stablampe tiefer.
Bethanys Herz setzte einen Schlag aus, dann begann es, wie wahnsinnig zu klopfen, als sie die Buchstaben erkannte. Nur ihr Vater konnte sie geschrieben haben … genau, wie er es auf der ersten Seite ihrer Schulbücher unter ihrem Namen getan hatte, als sie noch ein kleines Mädchen gewesen war. Lachend und weinend vor Glück, las sie die Worte laut: “S’rioghal mo dhream.”
Wie oft hatte ihr Vater das gälische Motto stolz oder aufmunternd zitiert. Seit ihrer Geburt am Oberlauf des Amazonas hatte es Bethany durchs Leben begleitet. Als kulturbewußter Wissenschaftler hatte ihr Vater ihr auch etwas Gälisch beigebracht und sie mit der jahrhundertealten Vergangenheit des McGregor-Clans vertraut gemacht.
Ihr Vater mußte noch am Leben sein! Bethany jubilierte. Er hatte ihr diese Nachricht hinterlassen, die nur sie entschlüsseln konnte. Aber was hatten die Zeichnungen zu bedeuten? Sie mußten eine wichtige Botschaft enthalten. Wieder betrachtete Bethany die Symbole kritisch und versuchte, sich in die Denkweise ihres Vaters hineinzuversetzen.
“Bethany!”
Ihr entging der leicht ungeduldige Ton, in dem Zakr sie vom Höhleneingang aus rief. Überglücklich eilte sie zu ihm.
“Ich habe ihn gefunden! Ich habe meinen Vater gefunden!”
rief sie aufgeregt. “Komm mit nach hinten! Ich zeig’s dir!”
Zakr begleitete sie ohne Einwand, bis er merkte, daß die Höhle unbewohnt war. “Ich sehe niemanden”, sagte er leicht
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