Im Bann des Feuers Drachen2
Stolz, mit dem er den Erben behandelt hatte, den sie ihm gebar.
Es hing sehr viel davon ab, wie Kratt jetzt seine Karten ausspielte, wie wirkungsvoll er den Tempel umwarb, während sein Vater ausgemergelt und komatös an der Schwelle des Todes schwebte. Dass Kratt mich aufgegeben hatte, dass er mich nicht mehr für die Tochter des Himmelswächters hielt, war gewiss. Nach seinem Besuch in dem vorgeblichen Mobasanin und seiner anschließenden Befragung Misutvias hielt er seine Chancen für sehr gut, das Geheimnis, wie man Bullen in Gefangenschaft züchten konnte, in Erfahrung zu bringen, ohne die Bürde auf sich zu nehmen, sich auf einen verrückten Drachenmeister und eine Ausgeburt von Schülerin verlassen zu müssen.
Ich konnte mir Kratts Diskussion mit Daron Re ganz ausgezeichnet vorstellen, konnte mir die Flut von Nachrichten ausmalen, die zwischen ihm und dem Ranreeb hin und her transportiert wurden. Konnte mir auch denken, wie der Ranreeb seinerseits mit dem Ashgon selbst beriet, wie mit Kratt zu verfahren wäre, einer gefährlichen Waffe, die, wenn sie losging, dem von Erschütterungen bereits ausreichend geplagten Tempel noch weiteren Schaden zufügen könnte.
Würde der Tempel ihn umbringen? Eher nicht.
Kratt hatte zahlreiche Verbündete in ganz Malacar und sie zweifellos darüber informiert, er wäre in der Lage, das Geheimnis der Bullenzucht zu lüften. Folglich beobachteten alle sein Schicksal sehr genau. Nein, der Tempel würde ihn nicht umbringen. Es war besser, einen solchen Feind unter seine Fittiche zu nehmen und ihn einen Verbündeten zu nennen, jedenfalls in dieser Zeit, in welcher die Fundamente des Tempels Risse aufwiesen.
So grübelte ich, konnte in der Nacht aus Furcht vor dem, worauf ich mich eingelassen hatte, kaum schlafen. Die Ausrüstung wurde verpackt, Sättel vorbereitet, und die Veteranen übten für den kurz bevorstehenden Tag, an dem sie mit den Drachenkühen aus der Stalldomäne fliegen würden, zusammen mit Waikar Re Kratt, seinem Halbbruder Ghepp, Daron Re und einer Klaue voll einflussreicher Re Bayen.
Doch dann geschah am Tag vor dem Calim Musadish etwas Unvorhergesehenes. Unerwartet deshalb, weil es wegen seines ungünstigen Zeitpunktes alle überrumpelte.
Die Neuigkeit verbreitete sich rasend schnell, eilte wie ein Lauffeuer durch unsere Brutstätte. Ein lautes Wehklagen erhob sich im Tal Re und hallte von den Bergflanken wieder. Hunde heulten; dunkle Wolken schoben sich vor die Sonne; Affenhorden heulten in den Sesalfeldern, während Raubkatzen wie abgestochene Schweine quiekten. Männer schlugen sich an die Brust und bedeckten ihre Leiber mit heiliger Asche, Frauen blieben in ihren Langhäusern und drückten ihre Kinder fest an sich.
Der Vater von Waikar Re Kratt und Rutkar Re Ghepp war im Schlaf gestorben. Roshu-Lupini Re war tot.
Also musste ein Erbe des Drachensitzes bestimmt werden.
Die Ernennung wurde jedoch verschoben.
Daron Re erklärte, dass seine mentalen, spirituellen, emotionalen und körperlichen Fähigkeiten ausschließlich auf den Calim Musadish gerichtet wären, den Abstieg ins Tal. Er würde also erst nach der Arena verkünden, wen der Ashgon als Herrn über Brutstätte Re eingesetzt hatte.
Er würde es also erst verkünden, wenn ich von den Klauen Res in Stücke gerissen und der Drachenmeister, der mir beigestanden hatte, entsprechend öffentlich ausgeweidet und enthauptet worden war.
Erst dann und wenn auch Kratt sich von mir losgesagt hatte, erst dann würde der Tempel ihn auf den Thron des Kriegerfürsten von Brut Re setzen.
Dafür jedoch war zunächst einmal mein Tod vonnöten.
Das bereitete mir erneut Kummer, denn wenn ich nicht in der Arena starb und Kratt folglich nicht die Gelegenheit bekam, sich öffentlich von mir zu distanzieren, würde der Tempel Brutstätte Re seinem Bruder Ghepp übergeben. Doch wer sollte dann an meiner statt Brut Xxamer-Zu regieren?
»Das ist Wahnsinn, blanker Wahnsinn«, schäumte der Drachenmeister. »Alles ist verdreht und undurchsichtig!«
Ich sehnte mich nach dem beherzten Glauben Drachenjünger Gens, nach der stärkenden Gegenwart des exzentrischen Hüters.
Aber er war unterwegs, schon lange, und erwartete den Tag der Arena in der Sicherheit von Malaban Bris Anwesen, an der Küste unseres Landes.
Er wusste nichts vom Tod des alten Roshu-Lupini Re.
Calim Musadish.
Der Abstieg ins Tal.
Obwohl die Morgenröte den aschgrauen Himmel erst leicht verfärbt hatte, klang das Murmeln der Menschenmenge, die
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