Im Bann des Feuers Drachen2
nicht durch diese Tür gehen«, zischte er. »Dann weckst du alle. Wir müssen hier lang. Der Komikon wartet schon auf dich.«
Der Komikon erwartete mich.
Wie viel Angst kann ein Mensch aushalten, bevor sein Herz vor Furcht zu schlagen aufhört? Bestimmt verwirrt die Furcht den Verstand, zumindest den meinen. Ich konnte den Eindruck nicht abschütteln, dass der schlanke junge Mann in dem verschlissenen Lendenschurz vor mir nicht Dono war, sondern der mit einer Kutte bekleidete Akolyth, der im Tempel Ornisak vor mir gestanden hatte. Ein Jüngling, der meinen Tod wollte.
Dono trat zu mir, packte meinen Arm, zerrte daran. »Ich breche dir den Arm, wenn es sein muss, Zarq. Jetzt komm endlich!«
Ich wehrte mich; daraufhin bog er mir gewaltsam den Arm auf den Rücken. Der Schmerz klärte meine Gedanken ein bisschen, und mir wurde bewusst, dass es nicht Oteul war, der mich in den sicheren Tod führte, sondern Dono, der auf Befehl des Komikon handelte.
»Geh!«, schnarrte er, stieß mir die Faust in den Rücken und trieb mich vorwärts.
Ich ging. Dono blieb hinter mir, warm, angespannt und kraftvoll, und verfluchte mich ausgiebig, während wir an der Mauer entlanggingen. Aus der Art, wie er sich trotz der Striemen und Verletzungen auf seinem Rücken bewegte, war ersichtlich, dass das Gift immer noch durch seine Adern pulsierte; von dem Trank, den wir heute Morgen geteilt hatten.
»Warum bist du überhaupt zurückgekehrt, heho?«, knurrte er mich an. »Er wird dich blutig peitschen, das ist dir doch klar, oder?«
Ich zitterte, vor Erschöpfung und wegen der Kälte. Meine Schenkel und Waden schmerzten, brannten unerträglich von dem wahnsinnigen Lauf von der Zone der Toten hierher. Dono ging viel zu schnell für mich.
»Langsamer«, keuchte ich. »Bitte.«
Er antwortete mit einem Schnauben, das sowohl Ekel als auch Ungläubigkeit ausdrückte. Und verlangsamte sein Tempo kein bisschen.
»Ich konnte sie nicht finden«, stieß ich mit klappernden Zähnen hervor. »Sie war nicht da. Er hat sie mitgenommen. Sie ist verschwunden.«
»Was?«
»Die Schriftrolle. Ich muss eine andere finden. Re errette mich, sie werden mich hinrichten …« Ich erschlaffte, mir drehte sich alles vor den Augen. Sterne schienen wie Glasscherben um mich herum niederzufallen.
Meine Sinne klärten sich, als ein scharfer Schmerz durch den Arm zuckte, den mir Dono immer noch zwischen die Schulterblätter drückte.
»Hier.« Er blieb abrupt stehen, streckte seine freie Hand aus und schlug an eine hölzerne Pforte, die in die Sandsteinmauer eingelassen war. Dreimal.
Sein Klopfen klang schwächlich durch die stille Nacht. Auf der anderen Seite der Pforte ertönte ein raues, splitterndes Schaben, als ein Holzbalken aus seinen Haken gehoben wurde.
Die schmale Tür öffnete sich knarrend. Dono stieß mich hindurch. Auf der anderen Seite stand der Drachenmeister. Die Silhouette seiner O-beinigen, affenähnlichen Gestalt hob sich gegen einen der zahllosen Höfe der Stalldomäne ab.
Der Drachenmeister streckte die Hand aus, packte mich an der Tunika und zerrte mich grob durch die Pforte. Dono folgte ihm, schloss die Tür und legte den Balken vor.
Der Drachenmeister vibrierte förmlich vor Wut. Sein ganzer Körper zitterte, als er sein Gesicht unmittelbar vor meines schob.
»Wohin bist du gegangen?«, stieß er hervor.
Ich schluckte. »Ich habe heute Morgen in der Sattelkammer …«
»Ich habe nicht gefragt, was du gemacht hast!«, fuhr er mich an, und ich zuckte zurück, als sein Speichel wie heiße Dampfspritzer auf meinem Gesicht landete. »Ich habe gefragt, wohin du gegangen bist.«
Ich zögerte.
Daraufhin packte er eine meiner Hände, spreizte die Finger, und bevor ich begriff, was geschah, rammte er mir etwas Kleines, Spitzes unter einen Fingernagel.
Ich schrie. Er schob mir die Kante seiner freien Hand in den Mund, um meinen Schrei zu dämpfen. Ich wand mich, wehrte mich, versuchte, ihn zu beißen; er hielt meine malträtierte Hand in seinem eisernen Griff, und seine Hand in meinem Mund war zu groß, als dass ich auch nur Druck mit den Zähnen hätte ausüben können. Das bisschen, was ich ausrichten konnte, störte ihn nicht im Geringsten.
Er stieß mich gegen die Pforte und drückte mich mit beträchtlicher Kraft dagegen.
»Ohne meine ausdrückliche Erlaubnis gehst du nirgendwo hin!«, zischte er mir ins Gesicht. »Du tust nichts, gar nichts, ohne dass ich es gestatte. Hast du das verstanden? Verstehst du das?«
Der Schmerz
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