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Im Bann des Fluchträgers

Im Bann des Fluchträgers

Titel: Im Bann des Fluchträgers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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be­reits ge­schlos­sen. We­der Dari­an noch Ami­na wie­sen Mel Amie auf die Zeich­nung des Seeun­ge­heu­ers an der Tür hin, die im fah­len Licht der Nacht­fa­ckel leuch­te­te.
    Der Ha­fen lag still, nur die Wel­len mur­mel­ten im Schlaf.
    »Du bist si­cher, dass sie hier­her kommt?«, flüs­ter­te Mel Amie Ra­vin hei­ser zu. »Ich ha­be kei­ne Lust, an Bord zu schwim­men.«
    Ein klei­ne­res bau­chi­ges Schiff mit zwei Mas­ten und hel­len Se­geln schob sich so laut­los her­an, dass sie es erst be­merk­ten, als es plötz­lich vor ih­nen aus dem Dun­kel auf­tauch­te. Ra­vin ließ sei­nen Blick kurz dar­auf ru­hen und such­te dann wei­ter den Ho­ri­zont und den Ha­fen ab. Doch das Schiff hielt auf sie zu. Stumm sa­hen sie zu, wie es di­rekt vor ih­nen an­leg­te. Ladro warf Ra­vin einen rat­lo­sen Blick zu und zog die Brau­en hoch. So­gar im Dun­keln sah man, wie schä­big das Schiff war. Die Plan­ken wa­ren mit ver­schie­den­far­bi­gen Höl­zern ge­flickt, der Rumpf mit po­cki­gen Was­ser­schne­cken über­sät. Der ste­chen­de Ge­ruch von Harz­pas­te drang ih­nen in die Na­se.
    »Das ist nicht eu­er Ernst!«, zisch­te Mel Amie.
    Be­vor Ladro den Mund auf­ma­chen konn­te, öff­ne­te sich im Bauch des Schif­fes ei­ne Lu­ke. Licht­schein leck­te mit schma­ler Zun­ge über den Ha­fen­bo­den. Mit ei­nem Pol­tern lan­de­te das En­de ei­ner Plan­ke vor Ra­vins Fü­ßen.
    Su­mal Ba­ji muss­te sich bücken um auf den Steg tre­ten zu kön­nen. Hin­ter ihr klet­ter­ten vier drah­ti­ge See­leu­te an Land. Zwei wei­te­re be­fan­den sich auf dem Schiff beim Ru­der. Al­le hat­ten sie schwar­zes, kurz ge­schnit­te­nes Haar und wa­ren in eng an­lie­gen­de Tü­cher gehüllt. An ih­ren brei­ten Gür­teln bau­mel­ten Sei­le, Ha­ken und Krumm­klin­gen. In ih­rer Mit­te wirk­te Su­mal Ba­ji noch grö­ßer.
    Mit ei­nem knap­pen Ni­cken grüß­te sie Ladro und Ra­vin und blieb dann mit dem Blick an Darians Ge­sicht hän­gen. Ihr Lä­cheln ließ in ih­rem Ge­sicht ei­ne gol­de­ne Son­ne auf­ge­hen.
    »Will­kom­men!«, sag­te sie zu ihm. »Ich bin Su­mal Ba­ji San­tal­nik, eu­re Ka­pi­tä­nin. Das …« – sie deu­te­te auf die See­leu­te – »… sind Baii­van, Em­rod, Chal­tar, Quinn, Tij und Xia.«
    Stolz schwang in ih­rer Stim­me mit, als sie den Arm hob und mit ei­ner an­mu­ti­gen Ges­te den Rumpf des Schif­fes in der Luft nach­fuhr.
    »Und das ist die Jon­tar!«
    Ei­ni­ge Au­gen­bli­cke war Stil­le. Dann hol­te Mel Amie schnau­bend Luft.
    »Die­ses Ding könn­test du auch gleich Schwim­men­der Tod nen­nen, Ka­pi­tä­nin. Es fällt ja schon aus­ein­an­der, wenn ei­ner eu­rer bren­nen­den Fi­sche hus­tet!«
    Su­mal Ba­jis Ge­sicht blieb un­be­wegt, nur ih­re Mund­win­kel zuck­ten.
    »Mir sag­te man, ihr seid tap­fer und die bes­ten Kämp­fer hoch zu Ross. Aber wenn ich es mir recht an­schaue, ist eu­re Mäh­re dort kein Kampf­pferd, son­dern taugt bes­ten­falls als Rei­se­ver­pfle­gung. Und den­noch wür­de ich ei­ner er­fah­re­nen Krie­ge­rin ver­trau­en, wenn sie mir sag­te, dies sei ein gu­tes Pferd. Was mich al­ler­dings noch mehr er­staunt …« – ih­re Stim­me wur­de lei­ser, um dann pfeil­spitz zu­zu­sto­ßen – »… ist die Tat­sa­che, dass ei­ne tap­fe­re Krie­ge­rin aus dem Wald sich vor dem Hus­ten ei­nes Fi­sches fürch­tet.«
    Mel Amies Au­gen blitz­ten auf, sie öff­ne­te den Mund, doch Ladro fass­te nach ih­rem Arm. Ra­vin konn­te se­hen, wie sich sei­ne Fin­ger in ihr Fleisch gru­ben. Sie hol­te müh­sam Luft und schloss den Mund wie­der. Ladro at­me­te kaum merk­lich auf.
    »La­det ab und bringt sie an Deck«, sag­te Su­mal zu ih­ren See­leu­ten, dann dreh­te sie sich um und ver­schwand in der Lu­ke.
    Ra­vin wür­de nie ver­ges­sen, wie blass Mel Amie war, als sie mit ge­spielt gleich­gül­ti­gem Ge­sichts­aus­druck über die Plan­ke ging, das zö­gern­de Hor­jun-Pferd hin­ter sich her­zie­hend. Auch ihm selbst war mul­mig bei dem Ge­dan­ken, auf die­sem win­zi­gen Schiff die ge­fähr­li­che Rei­se an­zu­tre­ten.
    Das Schiff leg­te so still ab, wie es ge­kom­men war, und glitt ge­spens­ter­haft lei­se auf das Meer hin­aus. Nur das Knar­zen der Se­gel war zu hö­ren.

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