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Im Bann des Fluchträgers

Im Bann des Fluchträgers

Titel: Im Bann des Fluchträgers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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fri­sche Nacht­luft ihm ins Ge­sicht weh­te.
    »Lass mich los!«, zisch­te Ami­na. Mit ei­ner bei­läu­fi­gen Hand­be­we­gung bog sie sei­ne Fin­ger auf, dass er vor Schmerz zu­sam­men­zuck­te. Ihr Griff war wie Ei­sen. Er­schro­cken wich er zu­rück.
    »Ent­schul­di­ge«, mur­mel­te sie und senk­te den Blick. Ih­re Hän­de ent­spann­ten sich. »Es ist nur – un­ter zwan­zig Fi­schern ist nur ei­ner, der klar sieht. Und aus­ge­rech­net der ist be­trun­ken.«
     
    W
    enn man auf den schlecht ge­floch­te­nen Mat­ten lag, zog ei­nem der Ge­ruch nach Fäul­nis noch stär­ker in die Na­se. Die har­ten Fa­sern – Ra­vin hielt sie für ge­trock­ne­te Al­gen – sta­chen bei je­der Be­we­gung. Aus et­wa zwan­zig Keh­len und Na­sen schnarch­te und pfiff es. Die meis­ten, die hier über­nach­te­ten, wa­ren aus den Dör­fern in die Stadt ge­kom­men und nun be­trun­ken auf ih­re Mat­ten ge­fal­len. Noch Stun­den, nach­dem Dari­an, Ra­vin und Ami­na sich schla­fen ge­legt hat­ten, klapp­te die nied­ri­ge Tür auf, tor­kel­ten die Nach­züg­ler ge­räusch­voll in den Raum und such­ten ihr La­ger. Ra­vin schlief un­ru­hig und wach­te mehr­mals auf. Hin­ter sei­nen ge­schlos­se­nen Li­dern leuch­te­te die Stadt mit ih­ren wei­ßen Häu­sern, die Mäh­nen­schlan­ge schwamm durch einen Wald blut­ro­ter Tü­cher, Men­schen tanz­ten im Fa­ckel­schein. Dio­len er­schi­en aus dem Nichts und bot ihm mit ei­nem kal­ten Lä­cheln ei­ne wei­ße Mu­schel an. Die­ses Bild ließ Ra­vin auf­schre­cken. Im Halb­dun­kel der Som­mer­nacht konn­te er er­ken­nen, dass Dari­an fest schlief. So lei­se wie mög­lich stand er auf und stieg über die Schla­fen­den hin­weg. Als er end­lich vor Ujas Her­ber­ge auf der Stra­ße stand, at­me­te er auf und schlug den Weg in Rich­tung Ha­fen ein. Die Stra­ßen wa­ren men­schen­leer, doch der Him­mel be­gann sich am Ho­ri­zont be­reits zu ver­fär­ben. Ra­vin setz­te sich auf einen Hau­fen salz­ver­krus­te­ter Taue und at­me­te tief durch. Die fri­sche Mee­res­luft ver­trieb die Ge­spens­ter aus sei­nem Traum und weh­te al­le kum­mer­vol­len Ge­dan­ken weit hin­aus aufs Meer.
    Er be­merk­te Ami­na erst, als sie di­rekt ne­ben ihm stand.
    »Ich kann auch nicht mehr schla­fen«, flüs­ter­te sie. Ra­vins Herz klopf­te bis zum Hals, aber er hoff­te, sie wür­de sei­nen jä­hen Schre­cken nicht be­mer­ken. Die ers­ten Boo­te kehr­ten mit ih­rem nächt­li­chen Fang zu­rück. Mit ei­nem wü­ten­den Zi­schen ver­lo­schen die Fa­ckeln, die die Fi­scher ins Was­ser tauch­ten. Ra­vin muss­te an Na­ja den­ken. Seit er die Feu­ernym­phe zum ers­ten Mal ge­se­hen hat­te, konn­te er nicht mehr ins Feu­er bli­cken oh­ne et­was Le­ben­di­ges dar­in zu ent­de­cken.
    Ein Boot mit zwei Fi­schern an Bord hielt auf den Ha­fen zu. Pad­del tauch­ten schmat­zend ins Was­ser ein. Das Boot lag tief und knirsch­te über die glat­te Fels­ram­pe, die als An­le­ger ge­baut wor­den war. Die Fi­scher, bei­de klein, kräf­tig und so ähn­lich, dass sie Brü­der sein muss­ten, spran­gen an Land. Ra­vin er­schie­nen ih­re Be­we­gun­gen wie ein ein­ge­spiel­ter Tanz. Sie grif­fen nach den mit lan­gen Wi­der­ha­ken ver­se­he­nen Spee­ren, die im Boot la­gen, hol­ten gleich­zei­tig da­mit aus und wuch­te­ten mit ei­nem kraft­vol­len Schwung den häss­lichs­ten Fisch, den Ra­vin je­mals ge­se­hen hat­te, auf den Fel­sen. Ent­fernt glich er der Zeich­nung auf Su­mal Ba­jis Tür, doch die­ser Snai war um ein Viel­fa­ches häss­li­cher, als Ra­vin sich ein sol­ches Tier vor­ge­stellt hat­te. Sein rie­si­ges Froschmaul klaff­te auf. Er hat­te kei­ne Schup­pen, son­dern ei­ne knor­pe­li­ge, ge­scheck­te Haut, die aus­sah wie ein Netz aus feuch­ten, grau­en Nar­ben. Auf sei­nem Rücken rag­ten stump­fe Sta­cheln em­por aus je ei­nem die­ser Nar­ben­wüls­te. Win­zi­ge Flos­sen an den Sei­ten und ein kur­z­er schei­ben­för­mi­ger Schwanz lie­ßen dar­auf schlie­ßen, dass Snais sich im Was­ser lang­sam be­weg­ten.
    Die Fi­scher zück­ten ih­re Mes­ser und schäl­ten die Haut ab, mit je­der flin­ken Be­we­gung dar­auf be­dacht, die Sta­cheln nicht zu be­rüh­ren. Sie schich­te­ten

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