Im Bann des Fluchträgers
ihm?«
»Nein, seit Laios mir gesagt hat, ich solle nicht an verlorene Seelen denken, habe ich ihn nicht mehr gesehen.«
Darian lehnte sich an die Reling und blickte in den Himmel.
»Er ist ein großer Mann, größer als du, mit sehr dunklem Haar – aber grünen Augen, so wie du sie hast.« Er lächelte. »Man sieht euch an, dass ihr Brüder seid.«
Ravin schluckte, seine Hände schmerzten, so heftig hatte er die Reling umklammert.
»Wann hast du ihn gesehen? Warum hast du mir nichts davon gesagt?«
»Gestern Nacht, als wir an Deck saßen und auf den Grom am Horizont starrten. Es war nur ein Bruchteil eines Gedankens. Er saß an einem Feuer.«
»Waren die Dämonen um ihn?«
Darian schüttelte den Kopf.
»Er war allein mit einem Schatten.«
»Was war das für ein Schatten?«
»Eine Gestalt. Für einen Moment war ich erschrocken, aber dann erinnerte ich mich daran, dass Laios in den Träumen wandeln kann. Ich bin sicher, dass er über Jolon wacht.« Etwas leiser fügte er hinzu: »Und wenn jemand Amina helfen kann, dann er.«
Auch am nächsten und übernächsten Tag zeigten sich keine brennenden Fische, dafür folgten immer noch die Naj der Jontar. Ab und zu erschienen sie dicht unter der Wasseroberfläche und bewunderten die Regenbogenpferde, die ihre Nasen in die Gischt streckten. Inzwischen war auch der letzte Rest Schlamm aus dem Fell verschwunden, sie leuchteten wieder perlmuttfarben im Tageslicht und bläulich in der Nacht. Amina war still. Zu Ravin und Darian war sie freundlich, aber es schien ihr nicht besonders gut zu gehen. Rasch zog sie sich wieder unter Deck zurück. Ladro erwähnte das Zauberlied mit keinem Wort, doch Ravin erschien er immer noch aufgewühlt. Die Taucher holten noch einige Netze voller Korallen an Bord, dann wurden die Korallenbänke spärlicher, bis sie schließlich von dunkelgrünen Seepflanzen mit dicken Blättern abgelöst wurden. Ravin fror nun, wenn er morgens erwachte und den rauen Wind über seinen Rücken streichen fühlte. Die Mannschaft zog sich dick gewebte Tücher über. Bald war es bereits so kühl geworden, dass auch Ravin und Darian unten bei den Pferden schliefen, den Harzgeruch in der Nase.
Ravin träumte Bildfetzen, die durch seinen Kopf schwebten. Manchmal kam der Tjärgwald zu ihm mit allen Farben, Düften und Klängen. Am Ufer des Sees kauerte er im Gebüsch. Nicht weit von ihm grasten zwei riesige Ranjögs. Ravin duckte sich und wurde zum Ranjög, bewegte sich pfeilgleich und flink am See entlang, den Speer in der Hand. Im Schlaf spürte Ravin, wie ein Lächeln über sein Gesicht glitt, und erwachte voller Hoffnung.
Sumal Baji war zwar die Letzte, die das dickere Tuch anzog um sich vor dem Wind zu schützen, doch Ravin bemerkte, dass sie fror und sich bereits nach Dantar zurücksehnte. Im fahlen Licht sah sie nicht länger golden und strahlend aus. Sorgfältig überwachte sie das Verpacken des Korallensalzes und nutzte jede Strömung, jede Brise, um noch schneller voranzukommen.
»Wir liegen gut in der Zeit«, sagte sie einmal zu Ravin. »Eure schwarz gekleideten Freunde dürften etwa vier Tage nach euch bei der Bucht ankommen.«
Darian und sie sprachen nicht mehr oft miteinander, dennoch hellte ihr Gesicht sich auf, wenn er an Deck kam. Abends saßen sie beim Schein einer Kristalllampe bei den Pferden und beratschlagten, welchen Weg sie nehmen würden. Die Pferde waren gut ausgeruht, das Banty tänzelte jeden Morgen in der Box, in der Hoffnung, bald ins Freie zu können.
Eines Morgens trübte sich das Wasser plötzlich, die Wasserpflanzen wurden weniger. Zum ersten Mal seit langer Zeit sah man steinigen Grund. Der Kanal verengte sich. Vor ihnen tat sich eine schmale Bucht auf. Von schwarzen Felsen gesäumt grinste ihnen das Ufer entgegen.
»Das ist die Galnagar-Bucht, wo auch
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