Im Bann des Fluchträgers
sogar ein Liebeslied.
»Wovon dieses Lied handelt, weiß ich nicht. Ich hörte es in einer kalten Nacht im Wald. Es hat meine Seele berührt. Und vielleicht wird es auch die eure berühren.« Er holte tief Luft und begann zu singen.
»Tellid akjed nag asar
Kinj kar Akh elen balar
Kinju teen
Kinju teen
Skell asar, balan tarjeen!«
Die Seeleute lauschten ergriffen, berührt von der Wehmut und dem Schmerz in der Melodie. Als Ravin geendet hatte, klatschten sie begeistert. Chaltar griff zur Perlharfe und stimmte die Melodie noch einmal an. Ravin blickte in die Runde und stutzte. Amina und Ladro waren mit einem Mal bleich geworden. Amina sprang auf. Ihr Weinbecher kippte um, roter Wein floss zum Ofen und verdampfte zischend. Mit einem gehetzten Blick stürzte sie davon. Ohne ein Wort rappelte Ladro sich auf und folgte ihr. Die Seeleute sangen bereits ein neues Lied. Mel Amie unterhielt sich mit Chaltar, Sumal war gegangen, nur Darian hatte die Szene beobachtet. Gleichzeitig standen sie auf und gingen Ladro und Amina hinterher.
Sie waren unter Deck bei den Pferden. Als sie hörten, dass sich jemand näherte, verstummten sie.
»Was ist los?«, fragte Ravin.
»Nichts«, sagte Ladro knapp.
»Du hast es gewusst, Ravin!«, zischte Amina. Ihre Augen glühten. Der Schatten lag wieder über ihrem Gesicht.
»Was habe ich gewusst?«, gab er zurück. »Es ist ein Lied, das ich von den Hallgespenstern gelernt habe. Irgendwo im Wald, kurz bevor wir Sella gefunden haben.«
Die Spannung ließ die Luft vibrieren, die Pferde begannen unruhig zu werden.
»Es ist Teil eines Zauberspruchs, Ravin. Damit spaßt man nicht!«, sagte sie. Aus jeder Silbe hörte er heraus, welche Anspannung es sie kostete, so ruhig zu bleiben.
»Das wusste er nicht«, antwortete Darian an Ravins Stelle. »Selbst ich habe nicht erkannt, dass es ein Zauber ist.«
»Sing dieses Lied nie wieder! Vergiss es! Vergesst es beide, denkt die Worte nicht einmal!«
»Was soll das?«, sagte Ravin ärgerlich. »Sag mir, was für ein Zauber das ist!«
Amina richtete sich auf.
»Das kann und werde ich nicht.«
Ravin war so verwirrt, dass er nichts erwidern konnte.
Darian trat vor.
»In Ordnung«, sagte er. »Vergessen wir das Lied. Du wirst deine Gründe haben, Amina.«
Ravin wollte protestieren, doch Darian bedeutete ihm mit einem Blick, den Mund zu halten und ihm zu folgen. Ravin sah die Erleichterung auf Ladros Gesicht, dann wandte er sich ab und folgte Darian an Deck.
»Was soll das?«, sagte er, als sie an der Reling angelangt waren. Die Klänge der Perlharfe trieben zu ihnen herüber.
»Ich weiß es nicht, Ravin«, flüsterte Darian. »Wo hast du das Lied gehört?«
»Am Anfang unserer Reise, bevor wir in Jerriks Wald geritten sind. Du hast schon geschlafen, aber ich hörte den Hallgespenstern zu. Da war eine Frauenstimme. Sie sagte etwas davon, dass es jetzt geschehen müsse, und sie befahl jemandem zu laufen. Und dann sang dieselbe Stimme dieses Lied.«
»Erinnere dich – wie klang die Stimme? Kann es sein, dass es Aminas Stimme war?«
Ravin runzelte die Stirn.
»Ich weiß es nicht. Aber offensichtlich ist es ein schlimmer Zauber, den sie kennt. Vielleicht hat er etwas mit ihrem Fluch zu tun.«
Darian strich sich müde über die Stirn. »Mag sein. Und trotzdem. Ich werde nicht klug aus ihr.«
»Niemand wird klug aus ihr.«
»Was mir immer noch nicht in den Kopf geht, ist, warum sie mitgekommen sind. Ob sie besser wissen als wir, was passieren könnte, wenn Badok Tjärg einnimmt? Warum kommt Amina mit, da sie doch weiß, wie wenig Zeit ihr bleibt, bis sie eine Woran wird? Und jetzt der Zauberspruch!«
Ravin seufzte.
»Auch ich habe darüber nachgedacht, Darian. Und je mehr ich darüber grüble, desto mehr schwirrt mir der Kopf. Die Sorge um Jolon ist unerträglich.«
»Träumst du von
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