Im Bann des Fluchträgers
fragten nach Skaardja. Und jedes Mal trug Ravin seine Geschichte vor, die ihm wie ein zweites Ich in Fleisch und Blut überzugehen begann, bis er nicht mehr Ravin, der Waldmensch, sondern nur noch Ravin, der Rastlose, war.
Unmerklich begann das Land sich zu verändern. Je weiter sie in Richtung Süden zogen, desto kälter und kahler wurde es, die Luft duftete bereits nach Eis und Winterstürmen. Die Jalabäume wurden seltener, immer mehr Tannen säumten die steilen Bergpfade.
Als sie die Berge schon beinahe hinter sich gelassen hatten, fiel der erste Schnee und blieb liegen. Ravin und Darian machten in einem der Dörfer Halt, die nur aus vier Hütten bestanden, und tauschten Teile ihres Räucherfleischs gegen Decken ein, die sie unter die Sättel legten und in die sie sich nachts einwickelten. Darian hatte sich inzwischen daran gewöhnt, auf dem Boden zu schlafen. Ravin hatte ihm gezeigt, wie man sich mit Reisig und getrocknetem Laub auch in kalten Nächten ein warmes Lager errichten konnte. Wenn sie keine Jalafrüchte hatten, ging Ravin mit seiner Steinschleuder auf die Jagd. Einmal erbeutete er sogar eine steingraue Echse, die er über dem Feuer briet. Er lachte über Darians Gesicht, als dieser vom Bach zurückkam und die Mahlzeit in voller Größe über der Glut rösten sah. Doch Darian überwand sich und stellte fest, dass das Fleisch der Echse sehr viel zarter und besser schmeckte als die Wachteln und Hasen.
Immer häufiger trafen sie auf Hallgespenster, deren Stimmen sie über viele Stunden hinweg begleiteten. Sie ertrugen das Gesäusel und Gewinsel und vermieden es, miteinander zu sprechen, um den schemenhaften Gestalten keine Gelegenheit für ein Echo zu geben. Beunruhigt stellte Ravin fest, dass es viele waren, sehr viele, und je näher sie den Dörfern und Siedlungen kamen, desto mehr schienen sich um sie zu scharen.
Nicht überall waren die Reisenden willkommen. Von einigen Höfen wurden sie mit drohenden Worten und Steinen fortgejagt. Die Menschen waren arm und selbst so hungrig, dass sie mit gierigen Augen auf die Satteltaschen der Reisenden blickten. An diesen Orten verweilten Ravin und Darian nicht und ritten, egal wie müde sie waren, die Nacht hindurch.
Sie waren froh, als sie endlich das Gebiet um Tjärg-Tamm erreichten, das dichter besiedelt war und wo sie in den Dörfern oder in einem Wirtshaus unterkommen konnten. Die Menschen in Tamm waren meist freundlich und gaben ihnen eine Mahlzeit oder sogar einen Stall für die Pferde. Als Gegenleistung ließ Darian Dondolo Kunststücke machen oder zauberte den Leuten etwas vor. Einige einfache Tricks, bei denen, wie er sagte, selbst Darian, der Schrecken von Gislans Burg, nicht viel verkehrt machen konnte. Er ließ Karten über den Tisch hüpfen oder brachte Türschlösser dazu, einen Becher Wein zu verlangen und zur Freude des Publikums so lange danach zu heulen, bis der Wirt sich erbarmte und den Becher auf den Tisch stellte. Manchmal ließ Darian auch Brot verschwinden und an seiner Stelle eine Marjulablume erblühen. Diese einfachen Tricks begeisterten sein Publikum, ließen sie staunen oder beim Anblick der nie gesehenen Blume seufzen. Niemand bestand darauf, dass Darian das Glas Wein bezahlte oder die Blüte wieder in Brot verwandelte. Und niemand fragte danach, ob das Brot auf wundersame Weise in ihrer Satteltasche wieder auftauchte. Ravin machte seine Runde durch das Dorf, klopfte an große, kleine, schäbige und polierte Türen und fragte nach Skaardja. Die meisten Leute schüttelten den Kopf, doch einige schenkten ihm ein Glas verdünnten Weines ein und erzählten, was sie von Skaardja wussten. Manche hatten von einer ihrer Heilungen gehört, andere hatten sie selbst einige Zeit
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