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Im Bann des Fluchträgers

Im Bann des Fluchträgers

Titel: Im Bann des Fluchträgers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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ge­sucht und ei­ni­ge we­ni­ge be­haup­te­ten so­gar zu wis­sen, wo sie sei. Doch sie woll­ten so­fort um den Preis feil­schen und Ra­vin fühl­te, dass er nur zu be­zah­len brauch­te, und sie wür­den ihm je­de Aus­kunft über Skaard­jas Auf­ent­halts­ort ge­ben, die er wünsch­te.
    Als sie nach den Eis­fäl­len wei­ter­zo­gen, folg­te ih­nen ei­ne gan­ze Grup­pe von Hall­ge­spens­tern. Tags­über wa­ren sie nur Schat­ten in den ver­schnei­ten Wip­feln, nachts hin­gen sie über ih­nen in den Zwei­gen, die glü­hen­den Au­gen wie La­ter­nen. Ra­vin und Dari­an hat­ten es sich an­ge­wöhnt, kaum mehr zu spre­chen, und hör­ten wi­der­wil­lig den frem­den Ge­sprächs­fet­zen, Lie­dern und Wor­ten zu, die die Ge­spens­ter mit sich tru­gen.
    »Bringt sie um!«, tu­schel­te es aus dem Baum­wip­fel. »Wir rei­ten ins La­ger und schnei­den ih­nen die Hälse ab!«
    Ra­vin schau­der­te bei die­sen Wor­ten, auch wenn er wuss­te, dass es Frag­men­te ei­ner frem­den, ge­hei­men Un­ter­re­dung wa­ren. Viel­leicht schon hun­dert Jah­re alt, viel­leicht aber auch vor ei­ner hal­b­en Stun­de auf­ge­schnappt. Wie vie­le es wa­ren, konn­ten sie an­hand der Stim­men nicht aus­ma­chen – ein Hall­ge­spenst konn­te Hun­der­te von Stim­men imi­tie­ren. Beim Blick in den Baum­wip­fel hat­ten sie drei Schat­ten aus­ge­macht und drei glü­hen­de Au­gen­paa­re, die auf sie her­ab­schau­ten.
    »Viel­leicht ver­schwin­den sie ja bald«, flüs­ter­te Dari­an.
    »Viel­leicht ver­schwin­den sie ja bald«, raun­te Darians Stim­me Ra­vin ins Ohr. Er fuhr her­um und blick­te in zwei ro­te Au­gen di­rekt ne­ben ihm.
    »Ver­schwin­de!«, rief er er­schro­cken. So na­he wa­ren die Hall­ge­spens­ter noch nie her­an­ge­kom­men. Er konn­te die schat­ten­haf­ten Ge­sichts­zü­ge ei­nes al­ten Man­nes aus­ma­chen, das frü­he­re Ich des Ge­spensts, be­vor er sich von der lich­ten Gren­ze ab­ge­kehrt hat­te und zu dem ge­wor­den war, was nun ne­ben Ra­vin kau­er­te.
    »Ver­schwin­de, ver­schwin­de, ver­schwin­de!«, rief es im Chor aus dem Baum­wip­fel.
    Dari­an leg­te den Zei­ge­fin­ger auf die Lip­pen.
    Die Hall­ge­spens­ter wie­der­hol­ten noch ei­ne Wei­le ih­re Wor­te und gin­gen dann da­zu über, an­de­re Ge­sprä­che wie­der­zu­ge­ben, die sie mit sich tru­gen.
    »Die­ses Ran­jög ist zäh!«, ze­ter­te ei­ne weib­li­che Stim­me.
    »So, Kel­lig, das hast du da­von, dass du den Zie­gen nas­ses Gras zu fres­sen gibst!«, mur­mel­te es hin­ter ei­nem Baum­stamm.
    »Hör zu!«, wis­per­te ei­ne Mäd­chen­stim­me Ra­vin ins Ohr, ei­ne be­ben­de, jun­ge Stim­me, die vor Ener­gie und vor Angst zu bers­ten schi­en. »Wir müs­sen han­deln, be­vor es zu spät ist! Es muss jetzt ge­sche­hen. Lauf!«
    Er schloss die Au­gen und hör­te, be­vor er ein­sch­lief, wie die Frau­en­stim­me ein frem­des Lied sang, ei­ne Be­schwö­rung:
     
    »Tel­lid akjed nag asar
    Kinj kar Akh elen ba­lar
    Kin­ju teen, Kin­ju teen
    Skell asar, ba­lan tar­jeen!«
     
    Was mag sich zu­ge­tra­gen ha­ben?, dach­te Ra­vin tief be­rührt. An der Gren­ze zum Traum ver­misch­te sich das Lied mit dem Bild von Jo­lon, der reg­los und trau­m­um­fan­gen im Tjärg­wald lag. Das Feu­er brann­te gleich­mä­ßig, die Dä­mo­nen wa­ren nicht zu se­hen. Be­ru­higt schlief Ra­vin ein.
     
    I
    m Eis­mo­nat über­quer­ten sie end­lich das Süd­ge­bir­ge und stell­ten fest, dass sie sich be­reits an den ers­ten Aus­läu­fern von Ska­ris be­fan­den. Vor ih­nen lag ein wei­tes Tal mit ei­ni­gen Grup­pen von Ja­la­bäumen. Doch die­se hier wa­ren klei­ner als die Bäu­me in Tjärg und tru­gen noch kei­ne Früch­te und Blü­ten. Durch das Tal wand sich ein Bach. Ei­ne dün­ne Eis­schicht be­deck­te ihn, die teil­wei­se be­reits ge­schmol­zen war und den Blick auf spru­deln­des, kla­res Was­ser frei­gab.
    »Es sieht nicht so aus, als ob das Land hier be­wohnt wä­re«, sag­te Dari­an. »Wenn wir Pech ha­ben, rei­ten wir bis zum nächs­ten Win­ter durch lee­re Tä­ler.« Ra­vin stell­te sich im Sat­tel auf und blick­te über das Tal.
    »Das glau­be ich nicht. Jen­seits des Wal­des dürf­te be­sie­del­tes Ge­biet sein. Und das Tal sieht

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