Im Bann des Fluchträgers
gesucht und einige wenige behaupteten sogar zu wissen, wo sie sei. Doch sie wollten sofort um den Preis feilschen und Ravin fühlte, dass er nur zu bezahlen brauchte, und sie würden ihm jede Auskunft über Skaardjas Aufenthaltsort geben, die er wünschte.
Als sie nach den Eisfällen weiterzogen, folgte ihnen eine ganze Gruppe von Hallgespenstern. Tagsüber waren sie nur Schatten in den verschneiten Wipfeln, nachts hingen sie über ihnen in den Zweigen, die glühenden Augen wie Laternen. Ravin und Darian hatten es sich angewöhnt, kaum mehr zu sprechen, und hörten widerwillig den fremden Gesprächsfetzen, Liedern und Worten zu, die die Gespenster mit sich trugen.
»Bringt sie um!«, tuschelte es aus dem Baumwipfel. »Wir reiten ins Lager und schneiden ihnen die Hälse ab!«
Ravin schauderte bei diesen Worten, auch wenn er wusste, dass es Fragmente einer fremden, geheimen Unterredung waren. Vielleicht schon hundert Jahre alt, vielleicht aber auch vor einer halben Stunde aufgeschnappt. Wie viele es waren, konnten sie anhand der Stimmen nicht ausmachen – ein Hallgespenst konnte Hunderte von Stimmen imitieren. Beim Blick in den Baumwipfel hatten sie drei Schatten ausgemacht und drei glühende Augenpaare, die auf sie herabschauten.
»Vielleicht verschwinden sie ja bald«, flüsterte Darian.
»Vielleicht verschwinden sie ja bald«, raunte Darians Stimme Ravin ins Ohr. Er fuhr herum und blickte in zwei rote Augen direkt neben ihm.
»Verschwinde!«, rief er erschrocken. So nahe waren die Hallgespenster noch nie herangekommen. Er konnte die schattenhaften Gesichtszüge eines alten Mannes ausmachen, das frühere Ich des Gespensts, bevor er sich von der lichten Grenze abgekehrt hatte und zu dem geworden war, was nun neben Ravin kauerte.
»Verschwinde, verschwinde, verschwinde!«, rief es im Chor aus dem Baumwipfel.
Darian legte den Zeigefinger auf die Lippen.
Die Hallgespenster wiederholten noch eine Weile ihre Worte und gingen dann dazu über, andere Gespräche wiederzugeben, die sie mit sich trugen.
»Dieses Ranjög ist zäh!«, zeterte eine weibliche Stimme.
»So, Kellig, das hast du davon, dass du den Ziegen nasses Gras zu fressen gibst!«, murmelte es hinter einem Baumstamm.
»Hör zu!«, wisperte eine Mädchenstimme Ravin ins Ohr, eine bebende, junge Stimme, die vor Energie und vor Angst zu bersten schien. »Wir müssen handeln, bevor es zu spät ist! Es muss jetzt geschehen. Lauf!«
Er schloss die Augen und hörte, bevor er einschlief, wie die Frauenstimme ein fremdes Lied sang, eine Beschwörung:
»Tellid akjed nag asar
Kinj kar Akh elen balar
Kinju teen, Kinju teen
Skell asar, balan tarjeen!«
Was mag sich zugetragen haben?, dachte Ravin tief berührt. An der Grenze zum Traum vermischte sich das Lied mit dem Bild von Jolon, der reglos und traumumfangen im Tjärgwald lag. Das Feuer brannte gleichmäßig, die Dämonen waren nicht zu sehen. Beruhigt schlief Ravin ein.
I
m Eismonat überquerten sie endlich das Südgebirge und stellten fest, dass sie sich bereits an den ersten Ausläufern von Skaris befanden. Vor ihnen lag ein weites Tal mit einigen Gruppen von Jalabäumen. Doch diese hier waren kleiner als die Bäume in Tjärg und trugen noch keine Früchte und Blüten. Durch das Tal wand sich ein Bach. Eine dünne Eisschicht bedeckte ihn, die teilweise bereits geschmolzen war und den Blick auf sprudelndes, klares Wasser freigab.
»Es sieht nicht so aus, als ob das Land hier bewohnt wäre«, sagte Darian. »Wenn wir Pech haben, reiten wir bis zum nächsten Winter durch leere Täler.« Ravin stellte sich im Sattel auf und blickte über das Tal.
»Das glaube ich nicht. Jenseits des Waldes dürfte besiedeltes Gebiet sein. Und das Tal sieht
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