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Im Bann des Fluchträgers

Im Bann des Fluchträgers

Titel: Im Bann des Fluchträgers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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aus, als könn­ten Wald­men­schen hier le­ben. Viel­leicht ist Skaard­ja jetzt bei ih­nen.«
    Sie war­te­ten das Echo der Ge­spens­ter nicht ab, son­dern rit­ten den Tal­weg hin­ab. An ei­ni­gen be­son­ders stei­len Stel­len kam Va­ju ins Rut­schen. Es däm­mer­te be­reits, als sie beim Bach an­ka­men. Ra­vin sat­tel­te die Pfer­de ab und über­prüf­te die Sat­tel­ta­schen. Ih­re Vor­rä­te gin­gen zu En­de, bald wür­de er wie­der ja­gen müs­sen. Bei die­sem Ge­dan­ken war ihm mul­mig zu­mu­te, er­in­ner­te er sich doch an die Ge­schich­ten von den le­der­mäu­li­gen Pfer­den und den rie­sen­haf­ten Ran­jögs. Und wer wuss­te, was ihn noch in den Wäl­dern er­war­ten wür­de? Er hol­te sein Mes­ser aus der Sat­tel­ta­sche und ging da­mit zum Bach, um ein Stück der Eis­schicht auf­zu­bre­chen und fri­sches Was­ser in ih­re Trink­beu­tel zu fül­len. Ge­ra­de war er am Ufer nie­der­ge­kniet, da ent­deck­te er ne­ben sich, kau­ernd im Ge­äst des nied­ri­gen Ge­büschs, ein selt­sa­mes Kind. Die Au­gen weit auf­ge­ris­sen starr­te es auf Ra­vins Mes­ser. Im nächs­ten Mo­ment war es schon auf den Bei­nen, Ra­vin sah nur noch we­hen­des hel­les Haar, als es ihn an­sprang, und er fühl­te, wie ihm Fin­ger­nä­gel in das Ge­sicht fuh­ren. Er wich zu­rück und wand sich un­ter den Hän­den her­vor. Mit ei­nem Schlag hät­te er den An­griff ab­weh­ren kön­nen, doch er mach­te sich re­flexar­tig be­wusst, dass er das Kind nicht ver­let­zen woll­te, und hielt es sich nur mit ein paar ge­ziel­ten Grif­fen vom Leib.
    »Dari­an!«, schrie er und setz­te sich wei­ter zur Wehr. Das Kind gab nicht auf, es fauch­te und mach­te ihm schwer zu schaf­fen. Wie Stein­schlag pras­sel­ten die Fäus­te auf Ra­vin her­ab. Ein Schlag traf ihn an der Na­se, so­dass er für einen Mo­ment die Ori­en­tie­rung ver­lor. Blut rann ihm über die Lip­pe. End­lich ver­nahm er, wie Dari­an her­bei­stürz­te, und fühl­te, wie das Kind von ihm weg­ge­zo­gen wur­de.
    »Was ist hier pas­siert?«, hör­te er ihn fra­gen, wäh­rend er sich das Blut aus dem Ge­sicht wisch­te. Wü­tend stell­te er fest, dass sein Mes­ser fort war. »Es hat mich an­ge­grif­fen«, sag­te er. »Ich konn­te es nicht mal rich­tig se­hen, da ist es mir schon an die Keh­le ge­gan­gen!«
    »Wo kommt sie her?«
    Ra­vin blick­te über­rascht auf und sah die Ge­stalt an, die im Schnee kau­er­te.
    »Das ist gar kein Kind!«, rief er aus.
    »Na­tür­lich nicht«, er­wi­der­te Dari­an.
    Er knie­te sich ne­ben die Frem­de in den Schnee und be­gann be­ru­hi­gend auf sie ein­zu­re­den. Sie rea­gier­te nicht auf sei­ne Wor­te, son­dern starr­te wei­ter­hin Ra­vin an. Ra­vin schau­der­te beim Ge­dan­ken, dass ein frem­des Mäd­chen ihn of­fen­sicht­lich hass­te.
    »Geh zu den Pfer­den«, sag­te Dari­an. »Ich ver­su­che sie in­zwi­schen zu be­ru­hi­gen.«
    Ra­vin nick­te und mach­te kehrt, froh, sich von dem Mäd­chen ent­fer­nen zu kön­nen. Ver­stört ging er zu Va­ju und Don­do zu­rück, die ihn mit ge­spitz­ten Oh­ren er­war­te­ten. Jetzt erst be­merk­te er, dass er zit­ter­te. Der Schreck saß ihm noch in den Glie­dern, sei­ne Na­se blu­te­te. Das Mes­ser, über­leg­te er. Sie hat zu­erst auf mein Mes­ser ge­st­arrt. Fürch­tet sie sich da­vor?
    Er war­te­te bis tief in die Nacht. Das Feu­er lo­der­te in der kal­ten Schnee­luft. Die Hall­ge­spens­ter ki­cher­ten und keif­ten, bis sie es letzt­lich auf­ga­ben und sich in den Wald ver­zo­gen. End­lich sah er Dari­an und die Frem­de den Pfad vom Fluss her­auf­kom­men. Dari­an führ­te sie am Arm wie ei­ne Blin­de. Nun war sie ru­hig, nur ihr Blick fla­cker­te im­mer noch ru­he­los und wild. Zum ers­ten Mal konn­te Ra­vin sie rich­tig be­trach­ten. Sie hat­te große, dunkle Au­gen, die ihn zu der An­nah­me ver­lei­tet hat­ten, ein Kind vor sich zu ha­ben. Ein Glim­men ver­lieh ih­nen einen Aus­druck, den Ra­vin noch nie zu­vor bei ei­nem Men­schen ge­se­hen hat­te und der ihm den­noch be­kannt vor­kam. Das schma­le Ge­sicht war von lan­gem flachs­far­be­nem Haar um­rahmt, das zer­zaust auf das le­der­ne Ge­wand fiel. Dari­an setz­te sich ans Feu­er und bot ihr einen Platz an. Doch sie blieb

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