Im Bann des Fluchträgers
folgte.
Darian war bereits dabei, das Lager abzubrechen, als die drei bei der Feuerstelle ankamen.
»Ich fürchte, deinen Dondo bist du los!«, rief Ravin schon von weitem. Darian schaute verwirrt hoch und riss die Augen auf.
»O tatsächlich!«, rief er und lachte.
Ravin nahm einen leeren Wasserbeutel von Vajus Sattel.
»Ich hole noch Wasser«, rief er Darian zu und machte sich wieder auf den Weg. Der Bach floss still und friedlich, in der schrägen Morgensonne warfen die Bäume und Gräser lange Schatten auf die spiegelglatte Wasserfläche am Ufer. Ravin ging zu der Stelle, an der er das Messer vermutete. Er watete in das Wasser hinein, spürte die eiskalten Kiesel unter seinen Füßen. Schritt für Schritt suchte er das Ufer ab. Ein-, zweimal blitzte etwas Silbernes unter dem Eis auf, von dem er vermutete, es sei die Klinge des Messers, doch als er die Stelle erreicht und das Eis aufgebrochen hatte, fand er wieder nur Flusskiesel. Das Messer war fort, schloss er seufzend. Die Strömung war vielleicht doch stark genug um es fortzuspülen.
In der Mitte des Baches fiel Ravin ein Strudel auf. Für den Bruchteil einer Sekunde peitschte eine Flossenhand über das Wasser, dann war wieder Stille. Vermutlich war es ein übermütiger Naj gewesen. Ravin hatte schon viel von ihnen gehört, doch selbst noch keinen gesehen. Es hatte keinen Sinn, den Flussbewohner zu rufen. Der Naj hatte ihn schon längst entdeckt. Wenn er neugierig genug wäre, hätte er sich Ravin gezeigt. Ravin beschloss sein Messer aufzugeben und stieg seufzend ans Ufer.
Am frühen Vormittag brachen sie auf.
»Was meinst du, sollen wir am Grat entlangreiten?«, rief Darian über die Schulter Ravin zu.
»Frag doch das Mädchen«, rief er zurück. »Heute Morgen hat es mich verstanden.«
»Natürlich versteht sie uns. Sie ist nur verrückt, nicht dumm.«
Ravin holte mit Vaju auf, bis sie nebeneinander ritten. Das Mädchen saß aufrecht vor Darian im Sattel, es drehte sich nicht um, als er es ansprach. »Nun, was meinst du? Wie weit können wir uns nach Skaris wagen?«
Ohne zu zögern streckte es die Hand aus und deutete auf den Wald, der sich am Horizont als dunkler Streifen abzeichnete. Als Darian nicht sofort reagierte, nahm es ihm die Zügel aus der Hand und lenkte Dondo in die Richtung, die es gewählt hatte.
»Sie weiß anscheinend genau, welchen Weg wir nehmen sollen«, lachte Darian. Ravin nickte und wandte sich an das Mädchen.
»Kannst du uns deinen Namen sagen?«
Das Mädchen reagierte nicht.
»Willst du ihn nicht sagen?«
Es schien gar nicht zuzuhören. Darian winkte ab.
»Lass sie. Wir werden es schon noch erfahren.«
»Wenn nicht, werden wir einen Namen finden«, verkündete Ravin.
Er hatte diese Worte laut und deutlich gesagt und wartete gespannt auf eine Reaktion des Mädchens. Falls es ein Waldmensch war – und ihre Erscheinung deutete darauf hin –, würde es sich gegen diesen Vorschlag wehren. Den Waldmenschen waren Namen heilig, wenn sie ihre Namen verloren, verloren sie ihre Seele. Doch das Mädchen hörte nichts, es starrte nur auf den düsteren Waldstreifen am Horizont. Seine Augen glühten. Ravin fühlte sich unwohl. Das mulmige Gefühl kroch aus dem verborgenen Winkel hervor. Vielleicht hat sie ihren Namen noch, aber ihre Seele verloren, dachte er.
Darian bemerkte nichts von der seltsamen Stimmung. Den ganzen Tag über war er gut gelaunt, erzählte Geschichten von Abenteuern, die er gerne bestanden hätte, und versuchte sich an allen möglichen Taschenzaubereien, um das verrückte Mädchen zum Lachen zu bringen. Doch es lachte nie, es lächelte nicht einmal.
Nun sah es schweigend zum Wald hinüber, während Ravin die letzten zwei getrockneten Jalafrüchte aufbrach und das Fruchtfleisch
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