Im Bann des Fluchträgers
Schwertstreich nicht gespürt? Vorsichtig blinzelte er.
Vor ihm, die Augen weit aufgerissen im Todeskampf, kniete Badok und griff sich mit den Händen an die Kehle. Dann glitt er zu Boden und blieb reglos liegen. Die Hand fiel von seinem Hals – dort war keine Wunde. Ravin kroch ein Stück von ihm weg und blieb zitternd sitzen. Jarog saß zusammengesunken auf dem Stuhl, das Messer im Hals. Die Brandspuren auf seinem Gesicht waren verschwunden.
Naja flackerte.
»Ich wollte dir helfen!« rief sie. »Aber mein Herr hat es mir verboten!«
»Ich habe es gesehen, Naja«, sagte er heiser. Er wunderte sich, dass er noch so ruhig sprechen konnte.
Ihre Augen waren rund vor Erstaunen.
»Du hast meinen Herrn getötet – und sie sind beide gestorben. Im selben Moment!«
»Ja.«
»Soll ich jetzt die Tore verbrennen?«
Ravin rieb sich die Augen.
»Ja«, sagte er und räusperte sich. »Ich bitte dich darum.«
Sie strahlte und wirbelte davon. Ravin blieb allein im Zimmer der Räte zurück, Trauer und Unglauben im Herzen. Auf den Gängen war es still, nur der Kampflärm tobte unvermindert laut vor der Burg. Mit einem Mal fürchtete Ravin sich nicht vor den Horjun, nicht einmal mehr vor den Erloschenen. Er wollte nur noch eines: zu Laios gehen. Jetzt wusste er, dass der Zauberer noch lebte und dass er es war, der ihm das Bild von Jarog als Warnung geschickt hatte.
Laios lag so, wie Ravin ihn verlassen hatte. Vorsichtig drehte er den alten Shanjaar auf den Rücken. Ein schleifendes Geräusch ließ ihn aufschrecken. Hatte er es vorher nicht ebenfalls vernommen? Er suchte nach der Quelle des Geräuschs, bis ihm plötzlich bewusst wurde, dass es Laios’ schwacher Atem war.
Der alte Mann öffnete die Augen. Sie waren klar und hart und nicht von Schmerz vernebelt, wie Ravin erwartet hatte.
»Ich habe Jarog getötet«, sagte er leise zu dem Zauberer.
Laios lächelte schmerzlich.
»Ich habe nicht bemerkt, wie es um ihn stand«, flüsterte er. »Badoks Körper ist schon lange seelenlos. Jarog wohnte in ihm als dunkler Zwilling.« Rasselnd holte er Luft um weiterzusprechen. »Jarog hat die Burg eingenommen. Ihr hattet sie kaum verlassen, als er schon die Erloschenen beschwor. Sie erstanden aus dem Nichts – mitten in den Zimmern, den Gängen! So konnten Badoks Truppen in eine bereits besetzte Burg einreiten. Es gab Zeiten, da habe ich an Jarogs Reiseberichten gezweifelt. Aus irgendeinem Grund glaubte ich nicht, dass er in den Bergen nach magischen Kristallen suchte. Hätte ich ihm nicht so blind vertraut, dann hätte ich herausfinden können, dass er in Wirklichkeit in Skaris war und dort seinen Plan vorbereitete. Aber ich habe es nicht erkannt.«
»Niemand hat es erkannt, Laios.«
»Niemand außer dir und mir, Ravin. Wo sind unsere Truppen?«
»Vor der Burg. Hörst du die Schlacht?«
»Ist Diolen entkommen?«
»Laios, rede nicht mehr. Du strengst dich an.«
Laios sah ihm in die Augen und lächelte.
»Was macht das schon? Meine Lehrerin sagte mir voraus, ich würde sterben vor dem Ende einer Schlacht. Ich denke, ich werde sie nicht Lügen strafen. Sage Darian, er soll sich einen neuen Lehrer suchen. Er ist ein guter Shanjaar!«
Er schloss die Augen. »Was für eine lange Reise, Ravin …«, murmelte er. Dann atmete er aus und glitt in die Bewusstlosigkeit, die dem Tod vorausgeht. Ravin deckte ihn mit seinem Mantel zu und setzte sich neben ihn auf den Glasboden. Vor den Fenstern wehte Rauch vorbei.
R
avin spürte, wie der Boden sich entfernte und er zu schweben begann. Dann durchschnitt der Schmerz seine verwundete Schulter im selben Moment, als er wieder harten Untergrund fühlte. Verwirrt blinzelte er in den Fackelschein und sah die Gesichter von Ladro, der Königin und Hauptmann Ljann. Mühsam richtete Ravin sich auf. Er lag in einem
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