Im Bann des Fluchträgers
unseren Wald kamt. Doch selbst dann konnten wir nicht sicher sein.«
»Amina wusste es auch?«
»Wir alle, Ravin.« Ladro holte Luft. »Wir müssen den Stein zerstören, bevor Diolen ihn an sich nimmt. Sonst wäre dieser Sieg vergeblich gewesen.«
»Dann dürft ihr keine Zeit verlieren«, stellte Königin Gisae fest. Hauptmann Ljann nickte.
»Ravin, Darian, ich und die vier Wächter, die ebenfalls Tjärgpferde haben, werden vorausreiten und Jolon aus der Steinburg holen. Schaffst du den Ritt, Ravin?«
Ravin nickte.
»Und was ist mit uns?«, fragte Ladro.
Ravin wich Ladros Blick aus.
»Ladro kann bei mir aufsteigen«, hörte er Darians Stimme.
S
chweigend ritt Ravin an Darians Seite. Seine Schulter tat weh, doch war dieser körperliche Schmerz nicht zu vergleichen mit dem, was Ravin in seinem Inneren fühlte. Amina war tot, sein Bruder in höchster Gefahr und seine Freunde hatten ihn getäuscht. Selbst Amina. Das schmerzte am meisten. Trauer und Enttäuschung griffen mit ihren klebrigen Händen nach ihm und zogen ihn in die Trostlosigkeit hinab. Die Sorge um Jolon grub sich tiefer denn je in sein Herz. Hätte er nur geahnt, dass sein Bruder den Gor in den Händen hielt! Aber hätte es wirklich etwas geändert? Nein, gestand er sich widerwillig ein. Er hätte nicht schneller nach Tjärg reiten können. Und auch jetzt konnte er nichts tun, außer zu Elis und allen anderen Geistern des Waldes beten, dass Diolen nicht vor ihm die alte Steinburg erreichte. Kalter Wind riss den Atem der Pferde in hellen Wölken von ihren Nüstern und trug ihn fort. Fremder denn je fühlte sich Ravin im Tjärgwald. Er kämpfte gegen den Gedanken an, dass Skaris sich bis hierher ausgeweitet hatte, dass Diolen eine Spur aus Feuer und Zerstörung zu seinem Bruder gelegt hatte. Vögel kreischten in den schwarzen Baumkronen. Ravin zählte die Stunden nicht mehr, doch seine Schulter schmerzte und seine Beine waren so gut wie gefühllos. Die Augen brannten ihm von der Anstrengung, die Wegzeichen an den Stämmen auszumachen. Endlich fielen ihm die ersten Alschblätter entgegen und verfingen sich in Vajus Mähne. Er pfiff und gab Darian ein Zeichen, dass sie auf dem richtigen Weg waren.
Inzwischen hatte sich die Dunkelheit über den Wald gesenkt. Gefährlich hell leuchteten die Regenbogenpferde im Waldschatten. Weit hinter dem Alschhain fand Ravin schließlich das Sichelzeichen, das zum letzten Steinpfad zur Burg wies. Vorsichtig ließ er sich aus dem Sattel gleiten.
»Hier beginnt der Fußweg«, sagte er zu Ljann. »Von hier sind es nur noch wenige Schritte zum Nordteil der Burg. Auf diesem Weg können wir Jolon in den Wald bringen.«
Sie verbargen die Pferde und kletterten den Steilpfad hoch, bis sie, umgeben von gespenstischer Stille, an einem niedrigen Durchgang standen, der ihnen in der Dunkelheit wie ein zerklüftetes Maul entgegengähnte. Ravin trat vor und tastete nach dem geheimen Riegel. Im selben Moment spürte er etwas an seiner Kehle, das ihn erstarren ließ.
Die kalte Messerschneide drückte ihm die Luft ab. Er wagte nicht einzuatmen, denn das Eisen fühlte sich scharf an, sehr scharf. Rascheln und ersticktes Keuchen hinter ihm ließen ihn annehmen, dass Darian und die anderen dasselbe Schicksal erlitten hatten. Ein dumpfer Schlag ertönte, dann spürte Ravin, wie ihm jemand die Arme nach hinten hochriss und ihn auf die Knie zwang. Ein stechender Schmerz fuhr durch seine verletzte Schulter. Er schrie auf.
»So schwer verwundet?«, flüsterte eine Stimme in sein Ohr. Ravin schielte nach links und blickte in das faltige Gesicht eines Erloschenen.
Ein zweiter zerrte Darian nach vorne. Ravin erhaschte einen Blick seines Freundes, in dem sich panisches Entsetzen spiegelte, dann zog der Erloschene grob an seinen Armen und
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