Im Bann des Fluchträgers
Staubschwarzes Haar fiel ihm wirr ins Gesicht. Ravin erkannte voller Entsetzen, dass der Krieger seinen Blick suchte – und ihn fand. Erloschene Augen blickten in die seinen. Dunkel und gefurcht, wie verbrannt war das Gesicht. Und da waren Augen, deren Blick an Ravin zerrte, als würden viele kleine Krallen in seine Brust greifen und an seiner Seele reißen. Dann löste der Krieger sich auf. Zu Nebel wurde er, in dem schemenhaft nur noch die Augen leuchteten. Schließlich erloschen auch sie.
»Ravin!«
Erschrocken nahm er wahr, dass Amina nach ihm schrie. Vaju tanzte wie verrückt, um einem Pferd auszuweichen, das sich aufbäumte und mit den Vorderhufen ihren Hals aufzuschlitzen versuchte. Eine Klinge sauste so dicht an Ravins Wange vorbei, dass er den kalten Lufthauch spüren konnte.
»Du bist tot, Ravin!«, heulte es neben seinem Ohr. Verzweifelt parierte er und blickte in ein Paar roter Augen.
»Ravin!«, schrie Aminas Stimme wieder durch den Lärm. Doch er konnte sich nicht orientieren. Der Krieger umkreiste ihn. Er wehrte ein paar Hiebe mit seiner Schleuder und seinem Schwert ab. Es gelang ihm, den Reiter aus dem Gleichgewicht zu bringen. Doch seine Ohren waren voll von Geschrei. Darians Stimme: »Ravin, hilf mir!«
Gehetzt blickte er sich um, doch konnte er auch Darian nirgends sehen. In der Masse der Kämpfenden entdeckte er endlich Amina. Sie drängte sich heran und hielt ihm den Rücken frei.
»Ravin!«, klagte ein Hallgespenst mit Aminas sterbender Stimme neben ihm. In diesem Moment blickte Amina ihn an und gab ihm ein Zeichen.
»He!«, rief sie und preschte im Halbrund davon.
»Ich sterbe!«, hauchte ihre Stimme dicht neben Ravins Ohr.
»Ravin!«, stöhnte Darian. Als er sich umblickte, sah er mehrere rote Augenpaare von Hallgespenstern. Amina hatte Recht gehabt: Der Bannkreis war gebrochen. Doch zum ersten Mal hörte Ravin Hallgespenster, die nicht nur fremde Worte wiederholten, sondern aus eigenem Antrieb Sätze sprachen, mit der deutlichen Absicht, die Kämpfenden zu verwirren.
Der Reifer hatte sein Gleichgewicht wiedergefunden und spornte sein Pferd an. Ravin schlug Vaju mit der flachen Hand auf den Hals und sie brach mit wirbelnden Hufen nach links aus und preschte mit angelegten Ohren hinter Aminas Banty her. Aus dem Augenwinkel entdeckte er Jerrik, der mit zwei Reitern kämpfte. Von rechts schob sich ein Schatten in sein Blickfeld. Ravin duckte sich, doch es war zu spät. Ein Schlag gegen seine Schulter riss ihn von Vajus Rücken.
»Hilfe!«, schrie eine Stimme neben seinem Ohr, doch er wusste, das war nur ein Hallgespenst. Er rollte zur Seite und spürte an der Erschütterung des Bodens, noch bevor er hinschaute, wie eine Klinge ihn knapp verfehlte und das Eisen sich in den Boden neben ihn bohrte. O nein!, schrie es in seinem Kopf. Das Getöse um ihn herum wurde lauter. Er hörte das Getrampel von Hufen, tödliche Hufeisen umtanzten seinen Kopf, er sah die Beine eines Bantys und rollte sich weiter aus dem Kampffeld. Noch einmal sauste die Klinge durch die Luft, dann hatte Amina den Reiter zurückgedrängt. Das Schwert des Badok fiel zu Boden.
»Los!«, schrie sie ihm zu. »Nimm es!«
Ravin rappelte sich auf und wollte nach dem Schwert greifen. Doch er stolperte über einen zusammengekauerten Körper und fiel. Zwei Augen starrten ihn ganz und gar wahnsinnig an. Sella saß völlig verstört auf dem Boden und hielt sich die Ohren zu.
»Ich verblute!«, schrie Darians Stimme neben Ravin – er schüttelte den Kopf und robbte zu Sella. »Los, zu den Bäumen, Sella!«
Dann kam der Krieger.
Ravin fühlte ihn, bevor er ihn sah. Er saß auf einem riesenhaften, steingrauen Pferd. Sein Mantel war fließendes Silber, so kalt wie sein Schwert, das er in der Hand hielt. Um ihn war es still, kein Hauch regte
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