Im Bann des Fluchträgers
und sah Ravin. Er wusste, sie hätte gelächelt, wenn sie dazu in der Lage gewesen wäre.
Sie schlief beinahe den ganzen Tag. Inzwischen hatte Ravin jedem den Grundriss der Burg erklärt und auch erwähnt, wie man über den Dienstbotengang aus der Burg gelangen konnte.
Amina saß mit fieberheißen Augen auf ihrer Lagerstatt und war kraftlos. Von dem spöttischen, wilden Mädchen schien nichts mehr übrig zu sein. Als sie ihr Wasser brachten, lehnte sie es ab. Trauer spiegelte sich in ihren Augen, über denen die zackige Wunde höhnisch zu grinsen schien.
»Ich habe Jerrik gesehen«, brachte sie mühsam hervor. »Er ist tot.«
Mel Amie schlug die Hand vor den Mund. Ravin war, als hätte ihn ein schwerer Stein getroffen. Unwillkürlich sah er wieder Kilmen vor sich.
»Das dachte ich mir«, antwortete Mel Amie schließlich. »Und er hat nichts verraten, sonst wären wir nicht mehr am Leben.«
»Das heißt, wir …«
»Ja«, unterbrach Amina Ladro. »Wir müssen uns befreien, bevor wir an der Reihe sind.«
»Ohne Sella und die anderen?«
Ravins Herz klopfte so laut, dass er dachte, die Wärter vor der Tür müssten es hören. Darian und er sahen sich an. Beide spürten, dass sie in diesem Moment aus der Gemeinschaft ausgeschlossen waren. Die Jerriks verheimlichten etwas vor ihnen. Leise zog er sich mit Darian in das benachbarte Gewölbe zurück. Sie hörten, wie die Jerriks die Totenworte sprachen. Draußen auf den Gängen herrschte hektische Betriebsamkeit.
Später kam Amina zu ihnen und setzte sich neben sie.
»Diesmal dachte ich, ich sehe dich wirklich nicht wieder«, sagte sie leise. Ravin schluckte und versuchte ein Lächeln.
»Als sie mich gefangen nahmen, habe ich befürchtet, du könntest denken, ich sei wieder weggelaufen.«
»Daran habe ich keinen Moment gedacht, Amina.«
Ravin hob seine Hand und streckte sie ihr hin. »Wir haben das Zeichen der Freundschaft getauscht, erinnerst du dich?«
Zum ersten Mal lächelte sie.
»Ich weiß, aber nicht jeder freundet sich mit einer –Woran an. Ich habe dieses Schicksal nicht gewählt. Es hat mich gefunden.«
»Aber wie?«
»Wie ein Dieb in der Nacht, als ich meine Magie für andere Dinge brauchte.«
»Hat es etwas mit deinem Bruder zu tun?«
Sie wurde bleicher und senkte den Kopf.
»Ich glaube, ja.«
»Was ist mit ihm? Ist er hier?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Ach Ravin«, sagte sie gequält. »Wenn er mich sehen würde – er würde ebenso viel Angst vor mir haben wie alle, die einer Woran begegnen.«
»Ich habe keine Angst, Amina. Weiß dein Lager davon?«
»Jerrik weiß … Jerrik wusste es. Und Ladro. Die Monde erschienen, kurz bevor ihr in unser Lager kamt. Ich werde fortziehen müssen, wenn der Mondschatten auf mein Herz fällt. Ich werde Tod bringen, die Menschen werden Angst vor mir haben. Ich will diese Macht nicht, Ravin. Ich will keine Woran werden. Aber ich kann es nicht verhindern.«
»Nein, Amina«, unterbrach er sie. »Ich habe keine Angst vor dem Blutmond.«
Er wollte ihre Hand nehmen, doch sie zog sie mit schmerzverzerrtem Gesicht zurück und zeigte ihm ihre Handfläche. Anstelle der drei Sichelmonde waren tiefe Brandwunden zu sehen. Ravin tat bereits der Anblick der verbrannten Haut weh. Amina ballte die Hand wieder zur Faust und sprach beinahe beiläufig weiter.
»Wir müssen so schnell wie möglich nach Tjärg.«
Ravin sah sie überrascht an.
»Ihr wollt mit Darian und mir reiten?«
»Was bleibt uns übrig?«, erwiderte sie.
R
avin lag mit offenen Augen in der Dunkelheit. Ladro und Amina unterhielten sich in einer Ecke. Ravin spürte den Sinn ihrer Worte mehr, als dass er sie hörte.
»Haben sie dich nach ihm gefragt?«, flüsterte Ladros Stimme.
»Ja, aber der Gefängnismeister hat es nicht gerade klug angestellt.«
»Sie haben dir geglaubt,
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