Im Bann des Fluchträgers
dass du nichts weißt?«
»Vergiss nicht, Ladro: Ich bin nur eine kleine Waldhexe und mein Geist ist ein Nebel aus wirren Träumen und Wasserdampf.«
Sie lachte leise.
Ravin war hellhörig geworden. Er rief sich Diolen und Badok vor Augen, wie sie in der Halle der Gesänge standen. Besonders Badok, der Jerrik so ähnlich sah. Nur die Augen waren anders. Doch auch sie kannte Ravin. Nur woher? Wenn sie sich so ähnlich waren … Ravin überlegte, dann verstand er mit einem Mal. Er setzte sich auf und berührte Darian am Arm. In der Dunkelheit spürte er, wie sich Darian aufrichtete. Einen Moment später glühte sein angespanntes Gesicht im schwachen Schein der magischen Flamme auf. Ravin ging hinüber zu Ladro und Amina.
»Badok und Jerrik waren Brüder, nicht wahr?«, sagte er geradeheraus.
An der Art, wie Amina bei seinen Worten zusammenzuckte, erkannte er, dass er mit seiner Vermutung Recht hatte. Sie schwiegen. Ravin fuhr fort.
»Aber selbst wenn es so ist, dass sie Brüder waren, dann verstehe ich nicht, warum Badok nicht einfach Jerriks Land erobert und uns alle getötet hat.«
Aus dem Augenwinkel bemerkte er, dass die anderen sich um sie versammelt hatten. Die Stille war erdrückend.
»Weil«, schloss er seine Ausführungen, »da etwas ist, was ihr uns verschweigt. Es geht um etwas anderes.«
Amina und Ladro schwiegen. Die anderen starrten sie mit offenen Mündern an. Mel Amie seufzte und betrachtete ihre sehnigen, vernarbten Hände.
Das Schweigen wurde verdächtig.
Ravin wandte sich an Ladro.
»Erkläre du uns, was wir nicht wissen sollen. Badok hat seinen Bruder Jerrik getötet und hält uns und euch hier gefangen. Warum?«
Ladro schüttelte den Kopf.
Ravin wurde wütend.
»Wegen eures kleinen Geheimnisses sitzen wir hier im Gefängnis! Wir haben ein Recht darauf, die Wahrheit zu erfahren! Was ist es, das euch und die Badok zu so erbitterten Feinden macht?«
Unruhe spiegelte sich in den Gesichtern der Jerriks. Sie blickten von einem zum anderen und schwiegen.
»Ich darf es euch nicht sagen«, sagte Ladro.
»Dann werde ich es tun.«
Ladro sah Amina entsetzt an.
»Du hast geschworen …«
»Ich weiß.« Müde winkte sie ab. »Trotzdem wirst du mich nicht davon abhalten.«
Ladro wurde bleich vor Zorn, aber er widersprach ihr nicht.
»Ja, Badok und Jerrik waren Brüder«, begann Amina. »Als sie jung waren, besaßen sie Land weit hinter den Feuerbergen im Norden. Sie führten eine Gruppe von Kriegern an, die sich die Horjun nannten, und sie befanden sich lange im Krieg gegen die Stämme im Klam-Gebirge, die von dort aus die Waldtäler erobern wollten. Das heißt, sie mussten auch gegen die dunklen Krieger aus dem Lande Run kämpfen, die die Fürsten von Klam mit Hilfe des Gors gerufen hatten.«
»Des Gors?«
»Ein magischer Stein, geschlagen in den Feuerbergen mit Werkzeugen aus reinstem Zauber. Der Gor hat die Form eines grauen Auges, in ihm sind die Kräfte des hellen und des dunklen Zaubers vereint. Die Krieger aus Klam glaubten ihren Sieg sicher, doch Badok und Jerrik erfuhren von den Feuernymphen, dass der Gor im Besitz der Klam-Fürsten war. Mit einer List gelang es ihnen, den Gor zu stehlen und die Krieger nach Run zurückzuzwingen. So konnten sie die Truppen aus Klam besiegen. Gemeinsam zogen sie in diese Burg hier ein – es ist der ehemalige Stammsitz der Fürsten von Klam – und nahmen den Gor mit.«
»Dann lebten sie also beide hier?«
»Viele Jahre sogar. Doch sie spürten, dass Hass in ihnen aufstieg. Der Gor kann von einem Menschen gehütet werden, doch niemals von zweien. Hütet ihn einer, sind seine guten und dunklen Kräfte im Gleichgewicht und vereint, hüten ihn jedoch zwei, geraten diese Kräfte aus der Balance. Dann weckt der Gor in seinen Wächtern die schlimmsten, grausamsten
Weitere Kostenlose Bücher