Im Bann des Fluchträgers
Kräfte.«
»Sie erkannten die Gefahr und beschlossen, dass nur einer den Gor behalten durfte«, sagte Ravin.
Sie nickte.
»Badok und Jerrik waren immer noch junge Männer, sie packten ein Kartenspiel aus und spielten darum, wer die Burg bekommen sollte.«
»Und Badok hat gewonnen.«
»Jerrik zog mit einigen seiner Krieger in den Wald und nahm dafür den Gor mit. Er schloss sich den Waldmenschen an. Die Brüder sahen sich nicht wieder – bis die Badok plötzlich anfingen uns anzugreifen.«
Ravin nickte.
»Jetzt bekommt es einen Sinn. Badok will also den Gor wiederhaben?«
Amina schwieg, die anderen sahen zu Boden.
Darian vergewisserte sich mit einem Blick zur Tür, dass alles ruhig war und beugte sich weit vor.
»Ihr habt den Gor versteckt?«
Amina schüttelte den Kopf.
»Der Gor wurde uns gestohlen. Wenn wir nur wussten, wo er ist! Ich glaube, Badok hat ihn bereits gefunden. Es ist kein Taschenzauber, die Krieger aus Run zu rufen.«
»Dann glaubt ihr, dass Badok und Diolen die Macht des Gor entfesselt haben um die Erloschenen zu rufen?«
Mel Amie lächelte dünn.
»Sie sind vergiftet von der Gier nach Macht«, sagte sie. »Schätze, Land, Eroberungen, das ist es, worauf sie aus sind. Der Gor hat in Badok schon damals das Niederste und Schlimmste geweckt. Lange hat es in ihm geschlafen. Doch ich glaube nicht, dass sie die Krieger aus Run mit Hilfe des Gor gerufen haben. Nein, die Macht des Gor ist noch lange nicht entfesselt. Wenn sie es wäre, wäre keiner von uns mehr am Leben. Wir müssen Badok aufhalten, in Tjärg oder wo immer er auch hingeht. Wenn er den Gor nicht besitzt, steht uns ein Krieg bevor. Hat er ihn jedoch bereits, dann müssen wir um jeden Preis verhindern, dass er die Kräfte weckt, die darin schlafen – denn dann wird es kein Krieg sein, sondern ein blutiger und grausamer Feldzug der Vernichtung!«
Ravin und Darian wechselten einen ratlosen Blick.
U
nermüdlich suchte Darian nach einer Möglichkeit, den Zauber vom Türschloss zu nehmen. Er experimentierte, probierte verschiedene Sprüche und konzentrierte sich im Licht seiner Flamme stundenlang auf die Tür.
»Nun?«, fragte ihn ein älterer Jerrik-Krieger einmal gereizt. »Ich verstehe ja nicht viel davon, aber langsam müsste es doch mal möglich sein, mit Magie eine lächerliche Tür aufzumachen!«
Darian schüttelte den Kopf. Er war so versunken, dass er die Ironie in der Stimme des Kriegers nicht wahrnahm.
»Es ist das Schwierigste überhaupt, etwas Festgefügtes zu bewegen, zumal ein Zauber das Schloss versiegelt.«
In der endlosen Trostlosigkeit, als schon alles verloren schien, geschah ein kleines Wunder. Sella und die anderen kehrten zurück. Völlig unverletzt, blinzelnd, die Augen voller Angst vor dem Ungewissen, wurden sie ins Gefängnis gestoßen. Sofort wurde es still. Sella trat einige Schritte zur Mitte des Raumes und blickte in fassungslose Gesichter. Schließlich war ihr Blick bei Darian angelangt – und sie lächelte.
In diesem Augenblick war die Erstarrung gebrochen. Alle drängten sich um die Neuankömmlinge, um sie zu umarmen und sich zu vergewissern, dass sie unversehrt waren. Ravin sah zur Tür. Warum waren die anderen in dieses enge Gefängnis gebracht worden? Es konnte nur einen Grund geben: Diolens Truppen verließen bereits die Burg. Nur wenige Wächter würden in der Burg zurückbleiben. Da war es einfacher, alle Gefangenen hinter einer Tür zu haben.
Seit Sella und die anderen da waren, schienen die Jerriks wieder zu leben. Jeder umsorgte Sella und sprach mit ihr. Die Angst und der Wahnsinn waren in ihren Augen, vielleicht noch stärker als zuvor, doch sie konnte wieder lächeln. Darian war wie verwandelt. Noch nie hatte Ravin seinen Freund so glücklich erlebt.
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