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Im Bann des Fluchträgers

Im Bann des Fluchträgers

Titel: Im Bann des Fluchträgers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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wie­der sei­nen Na­men rief. Ladro schlug die Au­gen auf. Ami­na sah ihn an, als wä­re er ein Geist, dann um­arm­te sie ihn stumm und ließ ihn lan­ge nicht los. Ra­vin wand­te sich ab und strich Va­ju durch die Mäh­ne. Er wuss­te, er soll­te sich freu­en, dass Ladro leb­te, und na­tür­lich tat er das auch. Den­noch ver­setz­te ihm der An­blick von Ami­na, die um Ladro wein­te, einen selt­sam dump­fen Stich in der Ma­gen­ge­gend.
    Ladro war nur leicht ver­letzt. Ein Schwert­hieb hat­te ihn ge­trof­fen, doch das Ei­sen war an sei­nem Arm ab­ge­rutscht und hat­te ihm nur ei­ne Streif­wun­de ge­schla­gen.
    »Wo sind die an­de­ren?«, frag­te Ra­vin. »Dari­an? Wo ist er?«
    Ladro deu­te­te nach Sü­den.
    »Ich glau­be, sie sind dort­hin ge­rit­ten. Zum Ton­jun-Pla­teau.«
    »Wa­ren es die Hor­jun, die auch uns ver­folgt ha­ben?«
    Ladro stöhn­te.
    »Nein, ih­nen konn­ten wir ent­flie­hen. Aber als wir wei­ter­rit­ten … Sie ha­ben uns über­rum­pelt. Dio­len führ­te sie an. Ei­ne Grup­pe von Er­lo­sche­nen! Sie ha­ben uns ge­jagt. Es kam zu ei­nem Hand­ge­men­ge. Ich stürz­te vom Pferd. Dann weiß ich nichts mehr. Sie dach­ten wohl, ich sei tot.«
    »Ich wuss­te es«, flüs­ter­te Ami­na. »Ich ha­be die lich­te Gren­ze ge­se­hen.«
    »Nein!«, schrie Ra­vin und sprang auf. Ami­na sah ihn er­schro­cken an. Ihm war, als hät­te sie das To­des­ur­teil über Dari­an ge­spro­chen.
    »Es gibt kei­ne lich­te Gren­ze«, zisch­te er. »Nicht, so­lan­ge ich noch rei­ten kann!«
    Als er in Va­jus Mäh­ne griff, spür­te er Ami­nas Hand auf sei­ner Schul­ter. Ihr Ge­sicht war ver­schlos­sen und hart.
    »Ich kom­me mit«, sag­te sie.
    Va­ju jag­te über den stei­ni­gen Grund da­hin, Stei­ne und Felss­plit­ter saus­ten an Ra­vins Oh­ren vor­bei. Im Ritt tas­te­te er nach sei­ner Schleu­der und zog sie un­ter sei­nem Man­tel her­vor. Ami­nas Atem brann­te an sei­ner Wan­ge, ih­re Hand deu­te­te auf einen Fel­sensaum und ei­ni­ge Bü­sche. Schlit­ternd kam Va­ju zum Ste­hen, sie spran­gen ab und rann­ten zum Rand. Ami­na war als Ers­te dort. Sie warf sich zu Bo­den und zerr­te auch Ra­vin auf die Knie, noch be­vor er an­hal­ten konn­te. Er stürz­te, schürf­te sich die Hän­de auf und woll­te schon pro­tes­tie­ren – dann sah auch er es.
    Klein wie Spiel­zeug­fi­gu­ren aus Holz wa­ren sie. Es moch­ten zwan­zig sein, viel­leicht auch drei­ßig. Sie stan­den im Halb­rund auf der Fels­zun­ge aus weißem Stein. Die Dor­nen in den Mäh­nen ih­rer Pfer­de blitz­ten in der Mor­gen­son­ne, ge­schlif­fe­ne Huf­ei­sen klirr­ten auf Fels. Nur das stein­graue Pferd stand reg­los.
    Dio­lens Man­tel weh­te in der Som­mer­bri­se, die über das Pla­teau strich. Ra­vin konn­te Dio­lens Ge­sicht nicht se­hen, doch er war si­cher, dass er lä­chel­te. Dari­an und Sel­la sa­ßen auf Don­do, die Front der Er­lo­sche­nen vor sich. Hin­ter ih­nen klaff­te der Ab­grund. So­gar aus die­ser Ent­fer­nung er­kann­te Ra­vin Sel­las Au­gen – oh die­se Au­gen! Sein Herz krampf­te sich zu­sam­men, er biss sich auf die Lip­pen und über­leg­te fie­ber­haft.
    In die­sem Mo­ment zog Dari­an sein Schwert und griff an.
    Die Er­lo­sche­nen lach­ten. Ih­re Pfer­de bäum­ten sich auf und presch­ten den zwei Rei­tern auf dem wei­ßen Pferd ent­ge­gen. Ein Er­lo­sche­ner kam dicht an sie her­an. Schon zuck­te sein Schwert her­ab, doch plötz­lich schwank­te er im Sat­tel und Ra­vin sah nur noch Ne­bel und ein rei­ter­lo­ses, bo­cken­des Pferd, das mit an­ge­leg­ten Oh­ren da­von­jag­te.
    Dari­an riss Don­do her­um. Ra­vin konn­te er­ken­nen, dass er einen an­de­ren Rei­ter an­blick­te und ei­ne hek­ti­sche Ges­te mach­te – der Er­lo­sche­ne ver­schwand. Hoch bausch­te sich sein schwar­zer Man­tel und fiel leer in sich zu­sam­men. Ra­vin schnapp­te nach Luft, woll­te auf­sprin­gen, doch Ami­na hielt ihn fest. Ih­re Hand war wie aus Ei­sen, schmerz­haft ihr Griff.
    »Bleib!«, zisch­te sie. »Bis wir un­ten sind, ha­ben sie ihn längst ge­tö­tet. Er nutzt sei­ne Ma­gie, siehst du das nicht? Er hat die Macht, die Er­lo­sche­nen zu zer­stö­ren. Ich wer­de ihm hel­fen!«
    Sie schloss die Au­gen, wis­per­te, sang und be­fahl.

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