Im Bann des Fluchträgers
Erloschene so weit zurück, dass er Darians Körper ausmachen konnte. Dann fiel ein Schatten auf ihn. Blitzschnell wendete er, um seiner Schleuder Schwung zu geben – und blickte in ein blasses Mondgesicht, das keinem von Diolens dunklen Kriegern gehörte. Vor Verblüffung verfehlte Ravins Stein das Schwert in der Hand eines Erloschenen und lenkte es stattdessen nur ab. Der Mensch mit dem Mondgesicht zwinkerte ihm zu, dann sah er dicke Finger, die sich auf den Erloschenen richteten, der sich heulend in Nebel auflöste. Neben ihm sank ein weiterer schwarzer Mantel zu Boden, ein herrenloses Pferd galoppierte an Ravin vorbei. Noch ein bleiches Mondgesicht tauchte auf, dann noch eines. Verwirrt trieb Ravin Vaju zurück, besann sich und jagte mit eingezogenem Kopf zu Darian. Im Galopp faltete er seine Schleuder zu einer Schlinge, brachte Vaju direkt neben dem Freund zum Stehen, sprang hinunter und schlang blitzschnell den Ledergurt um Darians Arme, jeden Moment damit rechnend, dass ein Schwerthieb ihn traf. Blitzschnell zog er die Schlaufen zu. Mit einem Ruck, der ihm die Arme aus den Schultern zu kugeln drohte, hievte er den leblosen Körper vor sich aufs Pferd. Vaju rutschte auf dem Felsen aus, keuchte und taumelte ein paar Schritte – bis zum Abgrund. Ravin warf einen Blick in die Tiefe und sah Sella. Seine Finger krampften sich in Vajus Mähne. Plötzlich war einer der Mondgesichtigen neben ihm und winkte. Und Ravin überlegte nicht lange, sondern trieb Vaju an und folgte ihm. Der Mann mit dem breiten Gesicht lotste ihn bis zum Felsweg zurück, dann bedeutete er ihm zu warten. Ravin warf einen Blick auf die Felszunge. Vier Männer mit hellem Haar – sie sahen sich alle so ähnlich, dass sie Vierlinge sein mussten – waren dort versammelt. Die Erloschenen lösten sich einer nach dem anderen auf. Der Letzte der Gruppe verschwand mit einem Heulen, als einer der stämmigen Männer auf ihn deutete. Ravin staunte über so viel Macht. Als der letzte Erloschene verschwunden war, fingen die Fremden die Horjun-Pferde ein. Der Mann, der Ravin zum Weg geleitet hatte, lächelte ihm zu, untersuchte Darians Wunde und nickte. Gemächlich schwang er sich auf ein Horjun-Pferd und machte eine Geste, die besagte, dass Ravin ihm folgen solle.
D
iese Höhle war anders als der unterirdische Kerker. Die Wände waren hell und glitzerten, als seien sie mit Eiskristallen bedeckt. Ravin saß mit einem Becher voll mit heißem Tee vor einem runden Stein und staunte. Von allen Seiten ertönte ein leises Murmeln und Plätschern. Im hinteren Teil der Höhle betteten zwei Höhlentreter mit riesigen Händen Darian gerade auf Felle. Der weißhaarige Mann wachte darüber, dass er gut lag und es warm hatte, dann strich er ihm sachte über die Lider. Darians Züge entspannten sich.
»Schlafe noch eine Weile, mein Freund«, flüsterte der Mann. »Deine Wunden werden verheilen – nun, bis auf die eine, wenn du erfährst, dass dein Mädchen tot ist.«
Das Mondgesicht wandte sich zu Ravin um. Wasserblaue Augen blickten in die seinen.
»Dein armer Freund hier ist ein guter Zauberer. Oder wie sagt ihr im Wald dazu? Shanjaar? Hast du gesehen, wie er mit den Staubgesichtern umgesprungen ist?« Anerkennung schwang in der Stimme mit. »Aber er hat eine schlimme Wunde im Herzen. Für die Magie ist das nicht schlecht, für den Zauberer selbst sehr traurig. Es war doch sein Mädchen, oder?«
Ravin senkte den Kopf und kämpfte gegen die aufsteigenden Tränen.
»Ja«, sagte er leise.
Der Mann nickte und kam zum Stein, wo er sich niederließ und Ravin in Augenschein nahm.
»Du bist verletzt«, stellte er sachlich fest und schnitt ihm, ehe Ravin sichs versah, einen Ärmelfetzen ab. Darunter kam ein blutverkrusteter Riss zum Vorschein.
»Nicht schlimm«,
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