Im Bann des Fluchträgers
Einige der Horjun-Pferde begannen auszuschlagen, als würden sie von unsichtbaren Insekten gestochen. In dem Chaos verlor Ravin den Überblick. Einen Moment lang sah er nur schwarze Pferdeleiber und ein Durcheinander von Schwertern und Helmen, dann plötzlich brach Dondo hervor und schlug nach einem der Pferde aus. Darian und Sella waren aus dem Blickfeld verschwunden. Ravin entwand Amina seine Hand und stürzte zu Vaju, sprang auf und galoppierte den steilen Weg hinunter zum Plateau. Im Reiten griff er in seine Tasche und holte eine Hand voll scharfkantiger Steine hervor. Er sah, wie die Erloschenen sich sammelten. Am Rand der Felszunge standen Darian und Sella. Tränen der Wut rannen Ravin über das Gesicht, er merkte nicht einmal, dass er mit den Fersen auf Vajus Flanken trommelte, als könnte sie schneller laufen, als sie es ohnehin schon tat.
Diolens Grauer tänzelte, der Silbermantel flatterte im Wind.
Ein breiter Blutstrom rann über Darians Wange. Aber er stand aufrecht, unbesiegt, wütend, Sella hinter sich, und wich keinen Schritt. Diolen hob die Hand. Sofort preschten zwei der Erloschenen nach vorne, umkreisten Darian, wehrten beinahe gelangweilt seine Hiebe ab. Dann hob einer sein Schwert, während der andere einen Angriff vortäuschte.
»Nein!«, schrie Ravin.
Darian knickte ein, fiel auf die Knie, danach auf sein Gesicht.
Diolen ritt auf Sella zu. Einsam stand sie am Felsrand, hinter sich den schwarzen Abgrund. Sie kniete sich neben Darian und blickte Diolen entgegen. Zum ersten Mal sah Ravin die Sella, die die Jerriks von früher kannten. Ihre Augen waren klar. Plötzlich wirkte sie erwachsen und sehr stark.
Diolen kam näher. Sein Pferd stampfte auf und stand still. Langsam, ganz langsam zog er sein Messer unter dem Umhang hervor. Sella betrachtete die Klinge so ruhig, als blickte sie auf ein Schmuckstück und nicht auf ihren Tod. Dann sah sie Darian an, der reglos neben ihr lag. Behutsam berührte sie sein Gesicht und stand auf. Diolen ließ das Messer vor ihrer Kehle kreisen. Gehorsam machte sie einen weiteren Schritt zum Abgrund hin. Schließlich, nach einer Ewigkeit, wie es Ravin schien, steckte Diolen das Messer weg und bot Sella seine Hand an.
Sella richtete sich auf, sah ihm geradewegs ins Gesicht – und trat einen Schritt zurück.
Einen Wimpernschlag lang flammte ihr helles Haar in der Luft auf, dann war sie verschwunden, so schnell, als hätte jemand eine Kerzenflamme ausgeblasen. Einen Moment lang schien Diolens Lächeln zu verlöschen. Doch dann, ganz langsam, begannen seine Schultern zu beben. Diolen lachte. Ravin fühlte den Hass in sich aufsteigen. Seine Finger krampften sich um die Schleuder. Diolen riss sein Pferd herum, bellte den Erloschenen einen Befehl zu und galoppierte davon. Einige der dunklen Krieger blieben zurück und scharten sich um Darian. Vaju strauchelte, als sie das Plateau erreichte, ein paar Sprünge rutschte sie über den blanken Stein, dann fand sie Halt und preschte mit angelegten Ohren auf die schwarzen Krieger zu. Nur noch wenige Pferdelängen trennten Ravin von Darian. Die Augen der Erloschenen blitzten ihn höhnisch an – von irgendwoher hallte ein Echo in seinen Ohren. Bei einem Seitenblick glaubte er in weiter Ferne Aminas bleiches Gesicht zu sehen, ihr wirres schwarzes Haar und die Angst in ihren Augen. Dann sauste das erste Schwert durch die Luft. Ravin holte alles ans Tageslicht, was er von Amgar gelernt hatte. Geschickt wand er sich zwischen den Pferdeleibern und dem Wald aus Schwertern hindurch. Seine Schleuder zischte durch die Luft. Ein Horjun-Pferd wieherte schrill, als der Stein es am Hals streifte, und brach zur Seite aus. Dondo trieb im Meer der schwarzen Pferde vorbei. Ravin hieb und duckte sich, schrie, griff an, drängte zwei
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