Im Bann des Fluchträgers
schlafwandlerischer Sicherheit verlor sie Runde um Runde. Schließlich schob sie seufzend ihre letzten zwei Skildis über den Tisch.
Drei zahnlose Münder grinsten zufrieden.
»Krol!«, sagte der Alte mit dem Schnurrbart und streckte ihr die Hand hin.
»Paschun!«, stellte sich der Zweite vor.
»Pag!«, der Dritte.
»Viligan!«, log Skaardja ohne zu zögern und deutete auf Ravin. »Kowen, mein Sohn.«
»Bauern?«, krächzte Pag.
Skaardja nickte.
»Aus Meltag?«
»Nein, Taman.«
Augenbrauen zuckten anerkennend in die Höhe. Offensichtlich war es ein weiter Weg von Taman nach Skilmal. Sie stießen an. Ravin rann der heiße Wein durch die Kehle, scharfer Gewürzduft stieg ihm in die Nase und trieb ihm die Tränen in die Augen. Er hustete. Der Blick des Mädchens brannte zwischen seinen Schulterblättern.
Wässerige Augen musterten ihn.
»Warum bist du nicht in der Burg?«, fragte Paschun.
Ravin biss sich auf die Zunge und sagte nichts.
»Er ist stumm«, antwortete Skaardja an seiner Stelle.
Rasselndes Lachen erfüllte den Raum.
»Stumm, blind, taub – was spielt das für eine Rolle?«, sagte Krol und stapelte liebevoll die Spielsteine aufeinander. »Badok nimmt jeden, den er bekommen kann. Alle unsere jungen Leute sind im Krieg oder arbeiten im Steinbruch bei der Burg. Müssen Badoks Burg wieder aufbauen.«
»So?«, fragte Skaardja. Die drei blickten sie ungläubig an.
»Du hast es noch nicht gehört?«
Skaardja tat erstaunt.
»Wir waren lange unterwegs. Ihr seid die ersten Menschen, die wir seit einem Mond zu Gesicht bekommen.«
Paschun lachte ein freudloses Lachen.
»Nun, vor wenigen Tagen brannte Badoks Burg nieder. Ein Cousin von mir arbeitet in der Burg. Er sagt, die Steine selbst hätten gebrannt! Und nun müssen die Leute aus den Dörfern Horjun werden oder im Steinbruch Steine schlagen um die Burg wieder aufzubauen. Seht euch Skilmal an – alle haben sie mitgenommen.«
»Außer Bukin«, mischte sich die Wirtin ein.
»Richtig. Bukin konnten wir freikaufen, weil er schielt und ein Ranjög nicht von einer Kuh unterscheiden kann, seit der Steinquader ihn erwischt hat. Aber sonst, alle weg. Also, warum nicht Kowea?«
Skaardja zuckte die Schultern.
»Er ist geflohen.«
Die Worte klangen im stillen Raum nach. Skaardja seufzte kummervoll.
»Ihn haben sie als Horjun gerufen. Drei Monde war er in der Burg und halb verhungert kam er zurück. Seitdem hat er kein Wort gesprochen.«
Hass schwang in ihrer Stimme mit.
»Seht euch diese Schande an – die Zunge haben sie ihm versengt!«
Sie zerrte an Ravins Kinn herum, doch er biss erschrocken die Zähne zusammen. Skaardja zwinkerte und sein Mund öffnete sich von ganz allein.
»Oooh!«
Der Aufschrei kam aus allen drei Kehlen gleichzeitig. Ravin sah, wie das Grauen die zerfurchten Gesichter zu Fratzen verzerrte, und klappte schnell den Mund wieder zu. Er wollte sich nicht vorstellen, was für ein Spiegelbild des Schreckens sie gesehen hatten.
»Der Blitz soll diese verfluchten Krieger aus Run treffen!«, sagte Skaardja inbrünstig.
Die Kinnladen der Alten klappten nach unten. Die Wirtin legte das Schälmesser beiseite. Verstohlen schielte Ravin zur Tür. Irgendjemand hatte während des Spiels den Holzriegel vorgeschoben.
Die Alten rückten näher heran.
»Kamen sie bei euch also auch mit diesen schwarzen Kriegern?«, flüsterte Krol.
Sie nickte.
»Diese ›Krieger‹ haben unser ganzes Dorf verschleppt. Badok braucht Horjun! Dass ich nicht lache!«
Paschuns Wangen hatten einen Hauch von Farbe gewonnen.
»Sie ziehen in den Krieg. Früher, als ich jung war, war das natürlich anders. Da brauchten wir keine Verstärkung aus dem Lande Run. Aber nun, da diese Hexe herrscht …«
»Hexe hin oder her«, mischte sich plötzlich Pag ein. »Ich verstehe es nicht.
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