Im Bann des Fluchträgers
sind wir tagelang unterwegs!«
»Dazu haben wir keine Zeit«, fuhr Mel Amie dazwischen.
Darian ließ sich von Dondos Rücken gleiten und schloss seine Hand um die magische Flamme. Als er sie wieder öffnete, zeichneten sich die roten Linien wie feine Adern auf seiner Handfläche ab. Amina fuhr mit dem Zeigefinger den Fluss entlang und tippte auf die Stelle, an der sie sich befanden.
»Auf Skaardjas Karte ist kein Becken verzeichnet. Aber es ist eindeutig die Stelle, an der wir stehen. Hier führte der Fluss geradeaus. Und hier …« – ihr Finger fuhr weiter zu einer Stelle unterhalb von Darians kleinem Finger – »… ist bereits das Meer.«
»Dann muss sich das Becken erst vor kurzem gebildet haben. Vielleicht durch einen Steinschlag, der bewirkt hat, dass sich das Wasser staut?«, schlug Ravin vor.
»Dann hoffe ich jedenfalls, dass das Wasser nicht so tief ist, wie es aussieht«, sagte Mel Amie.
»Es hilft nichts, wir müssen hinüber«, stellte Darian fest und begann damit, Dondo abzusatteln. »Für unsere Sättel, Waffen und Vorräte brauchen wir ein Floß.« Ravin sah, dass Mel Amie bleich geworden war. Und auch Ladro stieg nur zögernd vom Pferd. Amina und er tauschten einen kurzen Blick und nickten sich dann kaum merklich zu.
D
arian und Ravin hatten Buschholz aufgeschichtet. Mel Amie schleppte ein Stück Treibholz heran, an dessen Unterseite sich bereits Algen festgesetzt hatten. Aber es schwamm, was Mel Amie zumindest ein wenig zu beruhigen schien.
Mit ihren Schwertern hackten sie Zweige von den Buschstämmen und banden sie mit Sattelriemen aneinander. Doch als sie probehalber die Sättel auf das Floß legten und es vom Ufer in tieferes Wasser zogen, schwappten die Wellen über den Rand und das Floß drohte unterzugehen.
»Wir brauchen mehr Holz«, sagte Ladro.
Froh, von dem dunklen Flussbecken wegzukommen, ging er mit Mel Amie und Amina ein Stück des Weges zurück um noch mehr Holz zu sammeln.
Darian und Ravin lösten die Riemen und versuchten die dünnen Stämme noch fester zusammenzubinden. Die Sonne stand bereits so hoch, dass sie Ravin im Nacken brannte. Der Kies roch feucht und heiß und knirschte unter seinen Sohlen. Sie arbeiteten verbissen und schweigsam. Einmal richtete Ravin sich auf, trat ans Ufer und spritzte sich zur Kühlung ein wenig Wasser ins Gesicht. Ein Plätschern rechts von ihm ließ ihn herumfahren. Gerade noch sah er, wie ein kleiner Strudel eine Armlänge von ihm sich in Sekundenschnelle glättete. Ein flüchtiges Glitzern huschte unter der Wasseroberfläche entlang, dann spiegelten sich wieder die Wölken im Wasser. Plötzlich ertönte das Platschen hinter ihm. Mit klopfendem Herzen hastete Ravin zurück ans Ufer und blickte sich um. Darian kniete im feuchten Kies und zurrte einen weiteren Gurt fest. Er sah kaum auf, als in einem Schwall Wasser ein schlangengleicher, schuppiger Leib aus dem Wasser schoss und sich eidechsenschnell auf einen der Uferfelsen hinaufzog. Ravin machte einen Satz rückwärts, stolperte und schürfte sich die Handflächen an den Kieseln auf.
Grünliche Fischaugen blickten erst ihn an und dann das Floß.
»Du wolltest doch einen Naj sehen, Ravin«, sagte Darian. »Er ist neugieriger als sein großer Bruder, dem wir vor einigen Tagen begegnet sind. Beachte ihn einfach nicht.«
Ravin stand und staunte. Der Naj saß auf dem Felsen, Wassertropfen rannen von seinen Schuppen. In der Sonne funkelten sie wie ein Kleid aus Edelsteinen. Der Körper des Naj war lang und zartgliedrig, seine Hände mit den dünnen, weißen Fingern lagen wie durchsichtige Wasserpflanzen auf dem rauen Fels. Das Gesicht war menschenähnlich, doch die fleckige Zeichnung der Schuppen und die transparenten Häutchen, die Kinn und Wangen mit der Brust verbanden, sahen irritierend fremd
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