Im Bann des Fluchträgers
aus. Ravin stellte sich vor, wie sie sich unter Wasser blähten und in welligen Bewegungen das Najgesicht umschwebten. In der Sonne jedoch wirkte der Naj faltig und sehr verletzlich.
Ravin zwang sich mit seiner Arbeit fortzufahren und griff nach zwei dickeren Zweigen. So arbeiteten sie unter den interessierten Blicken des Naj schweigend weiter. Ab und zu schaute Ravin verstohlen zu ihm hinüber und sah die silberweißen Augen mit der kreisrunden Pupille stets auf sich gerichtet.
»Glaubst du, er wird noch lange da sein?«, flüsterte er Darian zu. Darian zuckte die Schultern.
»Es ist schon erstaunlich genug, dass er sich überhaupt so lange blicken lässt«, flüsterte er zurück. »Mich macht er nervös. Naj haben nur Unsinn im Kopf.«
»Der Fluss hört euch«, sagte der Naj plötzlich.
Seine Stimme klang wie das Rauschen des Wassers, tonlos und doch deutlich. Allerdings sprach er ein wenig bemüht, wie ein Reisender, der sich die Sprache eines fremden Landes angeeignet hat. Darian und Ravin blickten ihn verblüfft an.
»Dass euersgleichen mit uns spricht, ist erstaunlich«, bemerkte Darian und beugte sich wieder über das Floß.
»Ja, ich staune selbst«, gab der Naj zurück und gluckste. Ravin nahm an, dass dieses Geräusch ein Lachen darstellte.
»Eure Worte klingen schlimmer als das Gurgeln von Welsschweinen.«
»Vielen Dank«, erwiderte Darian ungerührt.
Eine Weile arbeiteten sie weiter.
»Magst du Wasserschnecken?«, wandte sich der Naj an Darian und betrachtete dabei interessiert seine fingernagellosen Hände. »Ich mag Wasserschnecken. Die blauen schmecken besser als die durchsichtigen.«
»Ach ja?«, fragte Darian, dem das Geplapper des Naj allmählich auf die Nerven ging.
»Ja«, plauderte der Naj weiter. »Wobei ihr die blauen nicht essen solltet – die sind giftig für euch.«
»Wir werden uns beherrschen.«
Ravin lächelte und zog einen weiteren Gurt fest. Ein Span fuhr ihm in die Hand, ruckartig zog er die Hand zurück. Schmerz pochte in seinem Finger.
Mitleidlos betrachtete der Naj, wie er die Wunde im Flusswasser ausdrückte.
»Tut weh?«, fragte er. Ravin lächelte verzerrt und nickte. Der Naj nickte ebenfalls und spritzte sich Wasser auf seine austrocknende Haut. Es sah aus, als würde er sich Luft zufächeln.
»Was ist? Schwimmst du mit mir?«, fragte er.
Ravin blickte überrascht auf.
»Mit dir schwimmen?«
»Ich will dir etwas zeigen.«
Darian und Ravin wechselten einen kurzen Blick.
»Nein, danke«, sagte Ravin.
Der Naj zupfte an seinem Kinnhäutchen.
»Schade. Sehr schade für euch Welsschweinegurgler.«
»Kein Grund, gleich ausfallend zu werden«, sagte Darian.
»Ich bin nicht ausfallend«, berichtigte der Naj höflich, aber sehr bestimmt. »Doch ihr macht einen Fehler. Aus Dummheit oder aus Trotz.«
»Es sind schon einige ganz zufällig ertrunken, als sie mit euch schwimmen gingen«, gab Darian zu bedenken.
Der Naj gluckste wieder.
»Wie lange kannst du die Luft anhalten?«
»Nicht lange genug für dich.«
»Ihr schwimmt also nicht mit mir?«
»Nein«, fauchte Darian und machte sich weiter an dem Floß zu schaffen.
»Gut.«
Der Naj war offensichtlich tief gekränkt, doch er tat gleichgültig.
»Dann macht weiter mit diesem Ding.«
Anmutig schlängelte er sich mit einem einzigen Flossenschlag ins Wasser und musterte das Floß.
»Damit kommt ihr sowieso nicht weit!«
Er tauchte in einem kleinen Strudel unter und war fort.
»Was wollte er uns zeigen?«, fragte Ravin, der immer noch auf die Stelle starrte, an der der Naj verschwunden war.
»Was schon! Irgendwelche hübschen Weiden voller Wasserschnecken – möglichst tief unten auf dem Grund des Flusses. Und mit dem Luftholen verschätzen sie sich jedes Mal, glaube mir.«
Gegen Abend kehrten Amina und die anderen mit
Weitere Kostenlose Bücher