Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Bann des Fluchträgers

Im Bann des Fluchträgers

Titel: Im Bann des Fluchträgers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
Vom Netzwerk:
Das Floß trieb be­reits au­ßer­halb sei­ner Reich­wei­te. Dari­an ent­deck­te ihn als Ers­ter, rief ihm et­was zu, was Ra­vin nicht ver­stand, und schwamm ihm ent­ge­gen. Ra­vin wisch­te sich das Was­ser aus den Au­gen, sei­ne Lun­gen ta­ten weh, er keuch­te. Um ihn her­um war das Was­ser rot. Im ers­ten Mo­ment dach­te er, es wä­re sei­ne Hand, doch nach we­ni­gen Schwimm­zü­gen be­merk­te er, dass er durch ei­ne rie­si­ge Wöl­ke von Blut schwamm. Röt­li­cher Schaum kräu­sel­te sich auf den Wel­len. Als Ra­vin das Floß bei­na­he er­reicht hat­te, griff er in ein Bü­schel blu­ti­ges Mäh­nen­haar, an dem ein Fet­zen schwar­zes Fell hing.
    »Ra­vin, schwimm!«, schrie Ami­na.
    Im sel­ben Mo­ment be­gann das Was­ser zu bro­deln.
    Skig­ga war so rie­sig, dass sie nur einen Teil von ihr sa­hen. Mel Amie schrie auf, als ein dor­nen­be­wehr­ter Peit­schen­schwanz aus dem Was­ser schoss, durch die Luft pfiff und das Floß zer­schmet­ter­te. Ge­trock­ne­te Fi­sche und Holz­split­ter pras­sel­ten auf sie her­ab. Mel Amie be­kam Va­jus Mäh­ne zu fas­sen. Das Ban­ty keuch­te und ging mehr­mals un­ter, Pa­nik in den Au­gen.
    Ein Schwall Ei­ses­käl­te ström­te aus dem tiefs­ten Grund des Be­ckens zu ih­nen her­auf und be­gann sie zu läh­men wie Ech­sen im Schnee. Ra­vins Bei­ne wa­ren in­zwi­schen ge­fühl­los. Trotz­dem schwamm er wei­ter. Das Ufer war nicht mehr weit, schon konn­te er das hel­le­re Was­ser in der Ufer­re­gi­on se­hen. Ei­ne Wel­le warf ihn wie­der zu­rück. Er fühl­te mehr, als er sah, wie ein hor­ni­ger, sta­chel­be­wehr­ter Schlauch an sei­nem Kör­per vor­beig­litt. Mel Amie stach mit ih­rem Mes­ser auf et­was ein, das di­rekt vor ihr zu sein schi­en. Plötz­lich schrie sie vor Schmerz auf, doch sie klam­mer­te sich im­mer noch an Va­jus Mäh­ne fest. Und Va­ju schwamm so ru­hig und un­be­irrt wei­ter, dass sie als Ers­te das Ufer er­reich­ten und sich an Land schlep­pen konn­ten.
    Ra­vin wur­de wie­der nach un­ten ge­ris­sen. Er schmeck­te bit­te­res Berg­was­ser und wuss­te nicht, wo oben und un­ten war. Das Licht!, dach­te er. Ich muss dort­hin schwim­men, wo es hell ist!
    Das ei­si­ge Was­ser brann­te in sei­nen Au­gen, doch er kämpf­te die Pa­nik nie­der und such­te nach dem Ta­ges­licht, wäh­rend er durch das Was­ser ge­wir­belt wur­de. End­lich sah er die Son­ne. Die rie­si­ge, röt­li­che Son­ne, die sich rechts von ihm be­fand. Aber es stimm­te et­was nicht, denn die­se Son­ne kam nä­her, wur­de grö­ßer – und blick­te ihn an! Sche­men­haft er­kann­te er lan­ge, wei­ße Dor­nen, die die Son­ne wie Strah­len um­ga­ben. Mit klam­men Fin­gern tas­te­te er nach sei­nem Mes­ser. Die Klin­ge fun­kel­te un­ter Was­ser, dann stieß er zu.
    Die Wucht des Schlags schleu­der­te ihn hin­aus in die Luft. Der Him­mel tru­del­te über und un­ter ihm wie ein Jahr­markts­gauk­ler, dann schlug er auf ei­ner fel­sen­har­ten Ober­flä­che auf, ein Auf­prall, der ihm die letz­te Luft aus den Lun­gen drück­te. Nach ei­ner rau­schen­den Ewig­keit und ei­nem dump­fen Über­gang in ab­so­lu­te Stil­le hör­te er Mel Amies Stim­me: »Be­weg dich nicht.« Vor­sich­tig öff­ne­te er die Au­gen, in Er­war­tung, dass ihn gleich ei­ne wei­te­re eis­kal­te Wel­le über­rol­len wür­de. Statt­des­sen sah er, wie das Ufer sich im­mer wei­ter ent­fern­te. Er be­griff, dass Mel Amie ihm die Ar­me um den Leib ge­schlun­gen hat­te und ihn weg­schleif­te.
    In der Mit­te des Sees trie­ben die an­de­ren mit angst­ver­zerr­ten Ge­sich­tern und blau­en, klam­men Lip­pen. Das Ban­ty quiek­te. Nur die Re­gen­bo­gen­pfer­de schwam­men ru­hig. Das Was­ser um sie her­um war nacht­blau und peitsch­te und bro­del­te. Un­ter der Ober­flä­che, ganz in der Nä­he von Ami­na, leuch­te­te die Son­ne. Blut schäum­te auf der Was­sero­ber­flä­che. Dann durch­brach der Peit­schen­schwanz das Was­ser und schlug nach Ami­na.
    »Nein!«, schrie Ra­vin und ver­such­te sich aus Mel Amies Griff zu be­frei­en.
    »Schau nicht hin, Ra­vin!«, zisch­te sie in sein Ohr und drück­te ihn so fest, dass er kei­ne Luft mehr be­kam.
    Ami­na ging nicht un­ter. Sie ver­schwand ein­fach. Ein dor­ni­ger

Weitere Kostenlose Bücher