Im Bann des Fluchträgers
weiter ins Wasser.
Ravin zog Vaju und das größere der Horjun-Pferde hinter sich her, bis er das Floß zu fassen bekam. Amina und Ladro folgten ihm und hielten sich an der gegenüberliegenden Seite des Floßes fest. Darian hängte sich hinten an, mit Dondo und dem Banty im Schlepptau. Das Banty wehrte sich, stemmte die Beine in den Kies und quiekte. Erst als Darian es am Halfter packte und mit einem gemurmelten Zauber beruhigte, der ihm zu gelingen schien, folgte es ihnen in das Wasser.
Bereits nach wenigen Schritten verloren sie den Grund unter den Füßen. Das Wasser wurde mit jedem Schwimmzug kälter. Schweigend paddelten sie weiter, nur das Schnauben der Pferde und das Knarzen der Lederriemen, die das Floß zusammenhielten, waren zu hören. An seinen Beinen spürte Ravin eine Bewegung. Doch bevor er in Panik geraten konnte, begriff er, dass es nur das Wasser war, das durch die Wassertritte der Pferdebeine aufgewirbelt wurde. Als er zurückschaute, sah er, wie weit das Ufer bereits entfernt war, und er wagte einen Blick nach unten. Im selben Moment wünschte er, er hätte es nicht getan. Sie schwammen über einer blauschwarzen Unendlichkeit. Ravin konnte nicht einmal seine Beine erkennen, das Nichts schien sie zu verschlucken. Schnell zwang er sich wieder zum gegenüberliegenden Ufer zu schauen. Es ist nur ein Wasserschläfer, tröstete er sich. Sie sind riesig und werden ungemütlich, wenn man sie auf dem Grund stört. Aber wir schwimmen ganz an der Oberfläche. Skigga wird uns gar nicht bemerken.
Über den Floßrand hinweg sah er Aminas angestrengtes Gesicht. Mel Amie schwamm verbissen, den Blick stur auf das Ufer vor ihnen gerichtet. Ravin erkannte bereits die Sträucher, außerdem weißes, zersplittertes Gestein und scharfkantige, zerbrochene Felsen, die einen Wall bildeten. Und dennoch konnte er die Kälte nicht vergessen, die von unten in seinen Körper zog und seine Beine hinaufkroch. Schon spürte er seine Zehen nicht mehr. Hinter ihm schnaubten die Pferde und wühlten das Wasser auf.
»Gleich sind wir drüben!«, kam Darians Stimme von hinten. Keiner antwortete ihm, doch sie verdoppelten ihre Anstrengungen. Ravin glaubte, wenn er noch viel länger in diesem kalten Wasser aushalten müsste, dann würden seine Beine erlahmen und er in der Tiefe versinken wie ein Humpen Eisen.
Eine kleine Welle schwappte über das Floß und durchnässte die Mäntel und Felle, die darauf lagen. Eine Welle?, dachte Ravin. Wo kommt die plötzlich her? Seine Beine kribbelten in der Erwartung, gleich schuppige Klauen zu fühlen, oder Zähne, die sich wie Dolche in seine Schenkel gruben. Panik kroch ihm über den Rücken.
Dann zerrte ein kleiner Sog an seinen Beinen. Er schrie auf und klammerte sich mit beiden Händen an das Floß. Das Banty begann verrückt zu spielen und warf den Kopf im Wasser hin und her.
»Was ist?«, rief Ladro.
Der keuchende Atem der Pferde hallte über den glatten See.
Plötzlich schnitt der Riemen des Zaumzeugs tief in Ravins Hand. Die Pferde schrien. Ravin zerrte an den Zügeln, doch seine Hand war wie festgenagelt. Ein Ruck ging durch seine Finger – und da spürte er, dass einer der Zügel senkrecht in die schwarze Tiefe zog. Etwas Haariges strich an seinem Knie vorbei. Dann riss ihn der Zügel plötzlich nach unten. Wasser drang ihm in Mund und Nase, das Floß verschwand, er hörte Darian schreien, doch der Schrei wurde abgehackt, als das Wasser über Ravins Kopf zusammenschlug.
In seinen Ohren dröhnte es. Er strampelte und zwang sich endlich seine Faust zu öffnen. Der Riemen wurde so schnell durch seine Hand gezogen, dass sich glühender Schmerz in seiner Handfläche ausbreitete, der ihn wieder zu Bewusstsein brachte. Er paddelte nach oben, so schnell, dass seine Muskeln brannten.
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