Im Bann des Highlanders
in der Nähe von Glenbharr Castle ausstieg. Der klapprige Bus schien aus Nachkriegstagen zu stammen, bei dem geringsten Hindernis auf der Straße wurden die Gäste durchgeschüttelt.
Erleichtert hatte sie festgestellt, dass sie die einzige Touristin war, die anderen Fahrgäste waren ausnahmslos Einheimische, die wohl in eines der entlegenen Dörfer in den Bergen unterwegs waren.
Fast ehrfürchtig, mit einem völlig anderen Blick als beim ersten Mal, blieb Joan eine Weile vor den mächtigen Mauern von Glenbharr Castle stehen. Sie versuchte, sich an jedes Detail zu erinnern.
Nur zögernd näherte sie sich dem Innenhof, es war völlig still, sogar die Zeit schien stillzustehen. Vor Joans innerem Auge tauchte die cèilidh zu Ehren Laird Dòmhnalls auf, und sie erkannte die Reste des Brunnens, auf dessen damals noch intaktem Rand Màiri mit glücklichem Lächeln zu ihrem Geliebten aufgesehen hatte.
Joans Herz hämmerte gegen die Brust, als sie hinter der Burg den Weg in den Wald einschlug. Zuerst war sie sich nicht sicher, woher das Rauschen kam, das sich allmählich erhob. Je höher Joan den Weg hinaufstieg, desto intensiver wurde dieses Geräusch und ihr wurde klar, dass sie sich bereits wieder in jenem magischen Kreis befand, den Ceanas Geist beherrschte.
Doch diesmal durfte Joan nicht nachgeben, noch nicht. Bevor sie nicht wusste, wo Ewan war, durfte sie nicht zu nahe an die Grube kommen, denn dann war sie machtlos Ceana Matheson ausgeliefert.
Trotz der winterlichen Kälte klebte Joans Kleidung bald schweißnass an ihrem Körper, und schließlich hatte sie die Stelle erreicht, wo der imposante Felsbrocken wie zufällig den Weg zu Ceanas Grab wies.
Joan begann nach Ewan zu rufen, erst leise, dann immer lauter, doch sie wagte nicht, in den Wald hinein zu gehen, sondern blieb auf dem Pfad stehen. Angestrengt spähte sie zwischen den dicht stehenden Bäumen hindurch, ihr Körper war angespannt und die Augen brannten.
»Ewan?« Immer wieder rief Joan in den Wald hinein. Wenn er sich in der Nähe aufhielt, würde er sie hören. Aber es blieb alles still, als wäre Joan der einzige Mensch auf der Welt.
Unschlüssig stand sie mitten auf dem Weg und ließ ihren Blick über die abgestorbenen Zweige eines Busches am Wegrand schweifen. An einem der Zweige hing ein kleines, leuchtend rotes Stück Stoff.
Nur zögernd trat Joan näher und stieß einen erstickten Schrei aus, als sie es genauer betrachtete. Ihre Hand streckte sich zitternd danach aus, und noch bevor sie das Tuch berührte, wusste sie, dass es tatsächlich Ewan war, den die Leute gesehen hatten.
Das Stoffstück, das sie vom Zweig pflückte, gehörte eindeutig zu einem breacan feile des MacLaughlin Clans ... zu Ewans Plaid!
»Ewan, wo bist du?«, flüsterte Joan mit erstickter Stimme und presste dabei den Stoff an ihr Herz. »Wo bist du?«
Erschöpft und verzweifelt erreichte Joan am Abend die Pension, ihre Suche war ergebnislos geblieben. Noch Stunden hatte sie den Wald durchkämmt nach einem weiteren Hinweis auf Ewan, doch sie hatte weder ihn noch etwas weiteres, das ihm eindeutig gehörte, gefunden.
Die Fergusons plauderten angeregt über ihre Wanderung zu einem entlegenen See, an dem man angeblich schon einige Male ein ähnliches Ungeheuer wie jenes von Loch Ness beobachtet hatte.
Geistesabwesend stocherte Joan in ihrem Essen herum und überlegte fieberhaft. Sie merkte nicht, wie sie ihr Besteck hart auf den Teller warf. Erst als Lucy und Edward Ferguson sie fragend ansahen, wurde ihr bewusst, dass sie sich dem Ehepaar aus Liverpool gegenüber mehr als merkwürdig verhielt.
»Ich reise morgen früh ab«, sagte sie schließlich betont gleichgültig und sah von einem zum anderen. »Ich habe mir alles angesehen, was mich interessiert.« Der Entschluss war ihr von einer Sekunde auf die nächste gekommen.
»Das ist aber schade.« Lucy sah betroffen aus. »Die Highlands haben soviel zu bieten, das können Sie doch gar nicht alles an einem Tag gesehen haben.«
Joan lächelte liebenswürdig. »Mir war vor allem die Burgruine wichtig.« Betont langsam nahm sie ihr Besteck wieder auf und versicherte: »Für die Natur werde ich mir vielleicht doch besser eine andere Jahreszeit aussuchen.«
Maggie dachte, die Gute weiß nicht recht, was sie will. Kommt wieder, um sich Zeit zu nehmen und rauscht dann gleich wieder ab – will zu einer besseren Jahreszeit wieder kommen, obwohl sie dem Tourismus unbedingt ausweichen will. Werde einer schlau aus ihr. Als Joan
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