Im Bann des Highlanders
waren diesmal stärker, der Magen verkrampfte sich und sie kämpfte gegen eine plötzlich auftretende Übelkeit an. In ihrem Kopf schienen tausend kleine Zwerge gegen die Schädeldecke zu hämmern. Jede Bewegung wurde ihr zur reinsten Qual.
Aber all dies würde vergehen, das wusste Joan, deshalb maß sie ihren Beschwerden keine allzu große Bedeutung zu. Das Einzige, was wichtig war, war, in der ‚richtigen’ Zeit gelandet zu sein.
Ruhig, mit angezogenen Knien, hockte Joan da, den Rücken gegen die Wand aus feuchter, kalter Erde gepresst, und wartete, bis die Übelkeit vorüberging. Allmählich beruhigte sich ihr Magen, und auch die Zwerge in ihrem Kopf schienen bald Feierabend machen zu wollen.
Joan begann zu frieren, sie kroch noch tiefer in das Schultertuch hinein. Konnte sie es wagen, sich zu bewegen, ohne Gefahr zu laufen, von einem Schwindelanfall erfasst zu werden? Versuchsweise verlagerte sie ihre Haltung, indem sie sich hinkniete. Als ihr Körper dagegen nicht protestierte, tastete sie sich langsam vorwärts.
Es war totenstill, nur ihre eigenen Atemzüge waren zu hören, und als sie mit den Fingern auf die Gebeine stieß, die sie als solche fühlend erkannte, seufzte sie erleichtert. Ceanas Gebeine waren also noch da, was allerdings nicht viel bedeutete, schoss es ihr durch den Kopf, Es war ja durchaus möglich, dass der Zeittunnel sie in ein anderes Jahrhundert oder Jahrzehnt befördert hatte; Ceanas Geist ging es möglicherweise nur um die Beisetzung ihrer sterblichen Überreste, jedoch nicht um das Lebensglück ihrer Nachfahrin.
Langsam richtete sie sich auf und blickte skeptisch nach oben. Im ersten Impuls nahm sie sich vor, zu versuchen, bei Tagesanbruch die Knochen durch das Loch hinauszuwerfen, um sich bemerkbar zu machen, doch die Idee kam ihr etwas makaber vor, und der längliche Spalt war nicht gerade breit.
Da sie sich noch immer etwas wackelig auf den Beinen fühlte, stützte sich Joan mit der Hand gegen die Wand. Sie bedauerte, nicht wenigstens Zündhölzer mitgenommen zu haben, damit sie etwas erkennen konnte. In dieser völligen Dunkelheit fühlte sie sich hilflos und die dumpfe Stille sowie der erdige, muffige Geruch, taten ihr Übriges.
Resigniert ging Joan wieder in die Hocke, es würde ihr wohl nichts anderes übrig bleiben als zu warten, bis es draußen hell wurde. Sie zitterte am ganzen Körper.
Bald fühlte sie ihre Füße nicht mehr, die dünnen Leinenschuhe hielten die Kälte, die vom Boden aufstieg, kaum ab. Aber gerade, als sich Joan vornahm, ein wenig auf und ab zu gehen, wurde es Tag. Noch war das Licht über dem Spalt nichts als ein grauer Schimmer, aber immerhin war es in der Grube nicht mehr gar so dunkel.
Während Joan darauf wartete, dass es heller wurde, überlegte sie fieberhaft, wie sie Ceanas Gebeine bergen konnte, ohne noch einmal in die Grube kriechen zu müssen.Schließlich fiel es ihr ein: Das Schultertuch würde eine hervorragende Tragetasche abgeben!
Kurz entschlossen zog Joan das Tuch von den Schultern und bückte sich, um die Knochen einzusammeln. Sie versuchte, nicht daran zu denken, dass sie dabei war, die Knochen eines Menschen, die einer Ahnin von ihr, einzusammeln, sondern stellte sich vor, es seien Holzscheite..
Inzwischen konnte Joan im fahlen Licht, das nun durch die Öffnung drang, sehen, was sie tat. Unverdrossen arbeitete sie weiter, bis sie jeden Zentimeter des Bodens abgetastet hatte.
Doch plötzlich stutzte sie. In der äußersten Ecke schimmerte etwas Rundes, Metallenes. Bevor Joan es ertastete, stieß sie leicht mit dem Fuß dagegen, und erst, als sie sicher war, dass von diesem kleinen Gegenstand keine Gefahr ausging, griff sie vorsichtig danach.
Es war ein Anhänger an einer Kette. Joan fühlte es mehr als sie es sah. Ohne lange nachzudenken, wanderte die Kette zu Ewans Blume in den Ausschnitt.
An dem kaum hörbaren Vogelzwitschern erkannte Joan, dass der Tag nun endgültig angebrochen war. Sie schlug das Tuch zusammen und verknotete die Enden, nachdem sie sich ein letztes Mal vergewissert hatte, keine Knochen zurückgelassen zu haben. Die Zipfel des entstandenen Sackes klemmte sich Joan unter einen Träger ihres Mieders.
Nach einem tiefen Atemzug machte sich Joan an den Aufstieg. Ihre Hände fanden schnell einige aus dem Erdreich hervorspringende Baumwurzeln.
Als sie es endlich geschafft hatte, brach sie vor Erleichterung in Tränen aus. Ein Blick nach oben sagte ihr, dass es nicht Winter sein konnte, denn die Bäume waren noch
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