Im Bann des Highlanders
sie.
»Ich bin Iain«, sagte er in gebrochenem Englisch, und vor Erleichterung hätte sie um ein Haar gejauchzt. »Meine Freunde sagen, dass du sehr vorlaut bist. Wenn dir dein Leben lieb ist, solltest du besser still sein, wie es sich für ein Frauenzimmer gehört.«
Empört schnappte Joan nach Luft. »Was fällt Ihnen ein? Das ist Freiheitsberaubung! Was haben Sie mit mir vor ihnen muss doch klar sein, dass Sie sich strafbar machen.« Die letzten Worte stieß Joan wütend hervor, doch der Mann lachte laut auf – zumindest fehlten ihm nicht ganz so viel Zähne wie den anderen.
»Bei wem willst du dich beschweren?«
»Sie verstoßen gegen das Gesetz, das ist Ihnen hoffentlich klar«, zischte sie und zerrte an ihren Fesseln. »Ich verlange von Ihnen, dass Sie mich auf der Stelle losbinden und gehen lassen!«
Iain hob belustigt die Augenbrauen. »Für uns gibt es keine Gesetze, Sasannach, denn wir sind vogelfrei. Das Einzige, was ich für dich tun kann, ist die Fesseln zu lösen, damit du deine Notdurft verrichten kannst und dafür sorge, dass du etwas zu essen bekommst, was keine Selbstverständlichkeit ist.«
»Vielen Dank für die Gastfreundschaft«, schnaubte sie, fügte dann jedoch eine Spur zugänglicher hinzu: »Ich würde wirklich gern ... meine Notdurft verrichten.«
Iain rief den anderen etwas zu, dann schnitt er mit einem spitzen, dolchähnlichen Messer die Fesseln durch. »Komm mit, ich führe dich etwas in den Wald hinein. Aber versuch nicht zu fliehen, denn sonst ...« Dabei fuchtelte er mit dem Messer gefährlich dicht vor Joans Nase herum.
Ergeben nickte sie, in der Tat hatte sie mit dem Gedanken an Flucht gespielt. Doch sie sah ein, dass sie keine Chance gegen die Wilden hatte – wer immer sie auch sein mochten.
Wie die anderen trug Iain eine Art Kilt und während er Joan in den Wald führte, meinte sie sich zu erinnern, gelesen zu haben, dass bei den früheren männlichen Bewohnern der Highlands Hosen verpönt waren und sie sich deshalb in eine Decke eingehüllt hatten.
Der Schotte besaß zumindest so viel Anstand, diskret zur Seite zu blicken, während Joan sich hinter einen Busch hockte. Doch sobald sie sich wieder erhoben hatte, war er bei ihr und griff nach ihrem Oberarm.
»Wenn du deine Widerspenstigkeit aufgibst, bekommst du vielleicht sogar etwas von dem Fleisch ab, das Seumas und ich besorgt haben«, versprach er großzügig, worauf Joan eine hitzige Bemerkung auf den Lippen lag. Doch sie ahnte, dass sie gut daran tun würde, die Verrückten in dem Glauben zu lassen, dass sie ihren Widerstand gebrochen hatten. Im Augenblick war es wichtig, dass sie ihren leeren Magen füllen konnte; über eine mögliche Flucht konnte sie später immer noch nachsinnen.
Auf der Lichtung roch es inzwischen nach gebratenem Fleisch, und automatisch knurrte Joans Magen. Ohne sich zu wehren, ließ sie sich wieder die Füße fesseln, obwohl sie fast vor Schmerz aufheulte, als der grobe Strick sich in die Haut des geschwollenen Knöchels grub. Das Ende des Strickes band der Mann fest um den Stamm eines Baumes.
Als schien Iain ihre Gedanken gelesen zu haben, raunte er ihr zu: »Ich lasse deine Hände nur frei, damit du nicht gefüttert werden musst.«
Er gesellte sich zu den anderen, die nach einer ganzen Weile die aufgespießten, auf stabilen Ästen über dem Feuer gebratenen Wildkaninchen zerlegten und unter sich aufteilten. Anscheinend schien Iains Vorschlag, der Gefangenen ein Stück davon abzugeben, wenig Gefallen zu finden, denn seine Freunde murrten und machten unwillige Gesichter.
Doch schließlich kam Iain mit einem kleinen, halb rohen Stück zu Joan zurück und reichte es ihr wortlos. Mit gemischten Gefühlen sah sie sich den Klumpen an, aber da ihr Hunger inzwischen so groß geworden war, dass sie sogar Baumrinde gegessen hätte, biss sie mutig hinein.
Das Fleisch war zäh und ungewürzt, dennoch schmeckte es erstaunlich gut – zumindest, wenn man so ausgehungert war wie sie. Natürlich wurde sie von dem Stück nicht satt, doch ihr Magen rebellierte fürs Erste nicht mehr.
Vorsichtig schielte Joan zu ihren gefesselten Füßen; noch waren ihre Hände frei, sodass sie versuchen konnte, den Strick zu lösen. Aber noch während sie mit diesem Gedanken spielte, sah sie Iains Schatten neben sich, und sie blickte scheinbar desinteressiert zur Mitte der Lichtung, auf der die Männer saßen, lachten, aßen und die abgenagten Knochen achtlos über die Schulter warfen.
»Was ist mit deinem Fuß?«,
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