Im Bann des Highlanders
dich verdächtig.«
Irritiert blickte Joan an sich hinunter, sie trug noch immer Jeans und Sneaker, aber außer, dass Kleidung und Schuhe inzwischen schmutzig waren, gab es daran nichts Verdächtiges.
»Ich verstehe nicht,« sagte sie noch einmal. Sie schluckte und bedauerte, dass sie den Becher Wasser schon leer getrunken hatte, ihre Kehle war bereits wieder ausgetrocknet – aber diesmal aus Angst vor dem Unbegreiflichen.
Iain lächelte schief. »Du stellst dich absichtlich dumm, aber das wird dir nichts helfen. Dir sollte bekannt sein, dass sich eine Frau mit solch merkwürdigen Beinkleidern verdächtig macht. Nur weibliche Spione, die sich als Männer verkleiden, kommen auf die Idee, freiwillig so etwas zu tragen.« Dabei zeigte er ein weiteres Mal auf ihre Jeans. »Also bete, dass wir uns nicht entscheiden, dich umzubringen, sondern auszuliefern.« Er machte eine bedeutungsvolle Pause. »Man munkelt, dass der Laird nicht gerade zimperlich mit englischen Spionen umgehen soll.«
Seine Worte verfehlten nicht ihre Wirkung, starr vor Angst saß Joan da und versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Entweder war der Mann komplett verrückt oder ... ? An das ‚oder’ wagte Joan nicht weiter zu denken.
Der Tag hätte angenehm sein können, wenn sie nicht eine Gefangene gewesen wäre. Die Sonne schien von morgens bis abends auf die Lichtung, die Vögel zwitscherten, als wäre nichts geschehen, und gedämpft konnte man das leise Plätschern des Waldbachs in der Nähe hören.
Joan kam die Stille anders vor als in Englands Wäldern. Kein Geräusch von Zivilisation drang zu ihr, dabei waren ihre Ohren auf Hochspannung gestellt, um das eventuelle Knattern eines Suchhelikopters nicht zu überhören. Man hatte sie in Baile a’Coille doch nicht etwa vergessen?
Gegen Abend trat wieder Iain zu ihr und warf ihr ein Gebilde aus grober Wolle vor die Füße, bevor er sie losband. »Zieh das an.«
»Was ist das?« Mit spitzen Fingern hob Joan den dreckigen, stinkenden Fetzen hoch.
»Frag nicht soviel, sondern zieh das Kleid endlich an«, befahl er ihr, bevor er ihr aufzustehen half. Der verstauchte Knöchel tat nicht mehr ganz so weh beim Belasten, was wohl der unfreiwilligen Ruhe zuzuschreiben war.
Joan hatte eine spitze Bemerkung auf den Lippen, unter einem Kleid verstand sie etwas anderes als diesen übelriechenden Lumpen. Dennoch streifte sie sich das kratzige Kleidungsstück über den Kopf.
Das sackförmige, braune Gebilde war viel zu groß, und Joan fühlte sich äußerlich plötzlich wie einer von diesen irren Waldmenschen, ließ sich ihren Unmut jedoch nicht anmerken, sondern ließ sich von Iain zu ihrer provisorischen Toilette führen.
Als sie wenig später wieder auf ihrem Platz saß, fuhr sie sich durch das Lockenhaar – wenn sie weiterhin keine Gelegenheit bekam, sich zu waschen, würde sie in Kürze wohl genau so stinken und abgerissen aussehen wie Iain und seine Kumpane.
»Warte, ich habe etwas für dich«, sagte dieser plötzlich, verschwand in einem Unterschlupf und kam kurz darauf zurück.
»Den kannst du haben.« Er hielt ihr einen kleinen, mit Edelsteinen besetzten Kamm entgegen, der in seiner schmuddeligen Hand genauso fehl am Platze zu sein schien wie Joan in ihrem Lumpengewand.
»Für mich?«
»Aye, wir haben keine Verwendung dafür«, erwiderte Iain mit ausdrucksloser Miene. »Er gehörte einer reisenden Lady, die wir kürzlich überfallen haben.«
Joan ließ die Hand, die den Kamm gerade zu ihrem Haar führen wollte, sinken. »Überfallen?«
Er nickte wortlos.
»Was ist mit ihr geschehen?«
»Dasselbe wie mit ihrem Mann und ihrem Gefolge.« Iain strich sich mit dem Daumen und einer eindeutigen Geste über die Kehle. »So machen wir es mit allen Reisenden, die wir ausplündern.«
Entgeistert starrte Joan ihn an, doch Iain sah nicht aus, als würde er lügen.
»Wieso tut ihr das?«, fragte sie daher und nahm sich vor, möglichst locker zu bleiben. »Was haben euch diese Leute getan?«
Iain lachte, als hätte Joan gerade einen besonders guten Witz erzählt. »Du bist wirklich gut, m’eudail 3 ! Was glaubst du wohl, wovon wir Gesetzlosen leben sollten, wenn wir nicht Reisende ausplündern und Vieh von den Clans stehlen würden?«
3 Schätzchen
Joan begann vorsichtig, den Kamm durch die Locken zu ziehen, und verbiss sich den Schmerz, der dabei entstand. Zaghaft fragte sie: »Wie wäre es mit ehrlicher Arbeit?«
Er grinste, dabei sah er Joan fast mitleidig an. »Für uns gibt es keine ehrliche
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