Im Bann des Highlanders
geisterhafte Stimme hatte es mehrmals ausgestoßen – mal klagend, mal bittend, mal schluchzend.
»Ich sagte Seonag, das ist der gälische Name für Joan.« Màiri lachte leise, es klang fast wie das weiche Gurren einer Taube. »Ihr Engländer würdet mich Mary nennen.«
Überwältigt von der Tatsache, dass die Stimme in den Träumen sie beim Namen genannt hatte, vergaß Joan für einen Moment sogar ihren Hunger. Es war also wirklich kein Zufall gewesen, dass ausgerechnet sie von der unheimlichen Stimme heimgesucht worden war.
»Mögt Ihr die Plätzchen nicht?«, fragte Màiri mit fast traurigem Blick. »Es sind dieselben, die meine Familie und ich essen.«
Joan richtete sich ein wenig auf und holte tief Luft. »Sie sind wunderbar, ich kann mich nicht erinnern, jemals etwas Köstlicheres gegessen zu haben.« Zum Beweis biss sie herzhaft in den Keks. Ihr fiel wieder Màiris Bemerkungen über diese Hexe ein und fragte schließlich: »Mich interessiert die Geschichte dieser Frau, wegen deren Ähnlichkeit ich hier sitze.«
»Das ist schon lange her, ich war damals ein kleines Mädchen von vier Jahren«, begann Màiri zu erzählen, ihr Blick senkte sich nachdenklich auf das unruhig flackernde Licht der Kerze. »Meine Mutter Ealasaid war wieder in der Hoffnung, aber die Schwangerschaft stand unter keinem guten Stern. Die ganzen Monate hindurch fühlte sie sich elend und hatte Schmerzen; die meiste Zeit musste sie ruhen.« Màiri hielt inne, griff gedankenverloren nach einem Haferplätzchen und begann, daran zu knabbern. »Ich habe meiner Mutter oft Gesellschaft geleistet. Sie sagte oft, sie würde spüren, dass mit dem Baby etwas nicht in Ordnung sei und weinte dann. Ich konnte sie kaum trösten, und mein Vater versuchte es auch vergeblich.«
Mit angespannter Körperhaltung saß Joan da, ihr Blick hing an Màiris Lippen.
»Die Wehen waren lang und schmerzhaft. Anna, eine Freundin meiner Mutter, die auch mir schon auf die Welt geholfen hatte, erinnerte sich plötzlich an eine umherziehende Frau, die als Heilerin und Hebamme bekannt war. Eiligst wurde nach ihr gerufen, und nach weiteren qualvollen Stunden wurde mein Bruder geboren.«
»Ewan?«
»Oh nein, Ewan kam erst ein Jahr später zur Welt. Der kleine Junge, den meine Mutter in dieser Nacht gebar, lebte nicht mehr, seine Arme und Beine wiesen Verkrüppelungen auf und sein Kopf wirkte eigenartig deformiert.«
Wie gebannt hörte Joan zu, hin und wieder trank sie einen Schluck Milch, die inzwischen längst kalt war.
»Meine Eltern waren untröstlich«, fuhr Màiri leise fort. »Sie hatten sich so sehr einen Sohn gewünscht – einen starken Sohn wie mein Vater, der später den Clan führen sollte.« Sie blickte auf. »Wisst Ihr, ich war noch sehr klein, aber ich kann mich an alles genau erinnern, was damals geschah.«
Joan schluckte den letzten Bissen hinunter und spülte mit Milch nach. Wäre die ungastliche Umgebung nicht gewesen, hätte sie sich direkt wohl fühlen können. Hunger und Durst waren gestillt, und in ihrem Körper breitete sich dank der Wolldecke eine wohlige Wärme aus. Màiris weiche Stimme tat ihr Übriges.
»Was geschah dann?«, bohrte Joan sanft. Sie wollte unbedingt die restliche Geschichte hören.
Màiri zog die Knie an. »Wenige Tage nach der Geburt begannen böse Zungen zu behaupten, dass diese Heilerin schuld am Tod meines Bruders war, angeblich würde sie Kinder schon im Mutterleib verhexen, sodass sie tot oder missgebildet zur Welt kämen. Ich weiß nicht, wer dieses Gerücht in die Welt gesetzt hatte, aber ich hörte meine Eltern eines Abends darüber reden, dass diese Frau womöglich auf diese Art unseren Clan auszurotten versuchte, denn zu dieser Zeit kamen in unserer Gegend besonders viele Totgeburten oder verkrüppelte Kinder zur Welt, und immer war angeblich diese Heilerin bei der Niederkunft anwesend.«
Hexenglaube und Schwarze Magie waren Ausgeburten kranker Menschen, doch angesichts Màiris ernster Miene hielt sie es für besser, den Mund zu halten.
»Außer sich vor Wut ließ mein Vater nach dieser Frau suchen, seine Leute erwischten sie, als sie in den Bergen verschwinden wollte. Als sie zurück zur Burg gebracht wurde, sah ich sie zum ersten Mal.« Màiri stockte und warf Joan dabei einen unsicheren Blick zu. »Sie hatte dasselbe rote lockige Haar wie Ihr, und sie trug es genauso lang. Ich versteckte mich hinter einem Vorhang, als sie meinem Vater vorgeführt wurde.«
Beide Frauen fuhren erschrocken zusammen, als die
Weitere Kostenlose Bücher