Im Bann des Highlanders
Außentür geöffnet wurde. Gleich darauf erschien Peaders Gestalt bei der angelehnten Zellentür und rief Màiri ein paar gälische Worte zu.
Sie antwortete, dann wandte sie sich mit einem bedauernden Lächeln an die Gefangene. »Mein Schwager wird misstrauisch, deshalb lasse ich Euch jetzt besser alleine. Mein Vater darf nicht erfahren, wie viel Zeit ich im Kerker verbringe.«
»Und wenn Euch Euer Schwager nun verrät?«
»Das wird er nicht. Er ist der Mann meiner Schwester Darla, und ich habe ihm auch schon einige Male geholfen.« Sie bückte sich, nahm das Tablett auf und fügte hinzu: »Heute Abend komme ich wieder, dann werdet Ihr den Rest der Geschichte erfahren.«
»Heute Abend erst?«, rief Joan erschrocken. Die Aussicht, den ganzen Tag mit ihren Gedanken alleine in diesem finsteren Loch zu verbringen, flößte ihr Angst ein. Doch sie musste dankbar sein, dass es überhaupt jemanden unter diesen Vandalen gab, der sie nicht wie eine Aussätzige behandelte.
»Aye, ich muss mich jetzt um meine Söhne kümmern.« Màiri lächelte ihr noch einmal zum Abschied zu, bevor sie die enge Zelle verließ.
Mittags schob Peader mit argwöhnischer Miene einen Napf mit Brühe in die Zelle. Es hatte den Anschein, als würde sich dieser große, breitschultrige Mann mehr vor Joan fürchten als seine kleine, zierliche Schwägerin.
In der Brühe befanden sich Gemüsestücke und eine Art Graupen; sie schmeckte gut und machte satt. Das Überleben war inzwischen das Wichtigste für Joan geworden.
Nach dem kargen Mahl versuchte Joan ein wenig zu schlafen, aber sie war zu aufgewühlt. Ihre Gedanken kreisten um eine Flucht – aber sie wusste selbst, wie hoffnungslos dieser Wunsch war. Der Kerker wurde streng bewacht, und einen anderen Ausgang als den, vor dem sich der Wachposten befand, schien es nicht zu geben.
Sehnsüchtig wartete Joan auf die Tochter des Lairds, und auch wenn sie ihr nicht helfen konnte, so vertrieb sie ihr zumindest ein wenig die Zeit. Außerdem war Joan begierig darauf, die Geschichte der Frau, die ihr angeblich so ähnlich gesehen hatte, weiter zu hören.
Als Màiri nach endlosen Stunden wieder im Kerker erschien, hätte Joan ihr beinahe vor Dankbarkeit die Füße geküsst. Diesmal brachte sie ein Stück gebratenes Fleisch, frisches Brot und Käse mit; außerdem einen kleinen Krug aus Steingut.
»Ich habe dies alles beim Abendessen heimlich beiseite geschafft«, erklärte sie kichernd. »Den Saft hab ich selbst gemacht, aus frischen Waldbeeren.«
Zufrieden sah sie zu, wie die Gefangene aß und trank, doch hin und wieder war ein Anflug von Skepsis in ihrer Miene zu erkennen. Sie strahlte, als Joan immer wieder das Essen und vor allem den Saft lobte.
»Könnt Ihr noch etwas bleiben, um mir die Geschichte der angeblichen Hexe zu Ende zu erzählen?«, bat Joan zwischen zwei Bissen, worauf Màiri nickte, ihr Tuch enger um die Schulter zog und mit ihrer herrlich sanften Stimme zu erzählen begann.
»Nun ja, ich hörte hinter dem Vorhang, hinter dem ich mich versteckt hielt, wie die Heilerin weinte und ihre Unschuld beteuerte, doch mein Vater ließ sie kaum zu Wort kommen, sondern beschuldigte sie, die Kinder des Clan MacLaughlin und der Gefolgsleute verhext zu haben. Immer wieder flehte sie um ihr Leben, aber mein Vater kannte keine Gnade und fällte ein hartes Urteil. Er ordnete an, dass die Frau lebendig begraben werden sollte.«
Vor Entsetzen blieb Joan fast der Bissen im Halse stecken. »Ohne ordentliche Gerichtsverhandlung?«
»Aye, die Clans haben ihre eigenen Gesetze.«
Diese Worte glaubte Joan schon einmal gehört zu haben.
»Natürlich sehen die Sasannach ... die Engländer nicht gerne, wenn wir Highlander uns nicht an die Gesetze der Krone halten, aber innerhalb der Clans hatten schon immer die Lairds das Sagen, und das wird sich auch niemals ändern.« Stolz schwang bei diesen Worten in Màiris Stimme mit. »Seht mich nicht so entgeistert an, mir ist klar, dass Politik mich als Frau nichts angeht und es meine ausschließliche Pflicht ist, mich um meine Kinder und meine Arbeit zu kümmern.« Um ihre Lippen spielte plötzlich ein Lächeln. »Möchtet Ihr jetzt das Ende der Geschichte hören?«
Joan nickte stumm.
»Die Verurteilte wurde in dieses Verlies gebracht, währenddessen machten sich einige Clansmänner auf den Weg in den Wald. Weit fort von hier im Dickicht gruben sie ein tiefes Loch, das sollte das Grab der Hexe werden.« Sie stockte, über ihrer Nase erschien eine steile Falte;
Weitere Kostenlose Bücher