Im Bann des Highlanders
ehe ihre Tochter den kleinen Vorgarten betreten hatte. Bevor sie Joan in die Arme schloss, deutete sie amüsiert auf den Rucksack.
»Sieht so neuerdings dein Gepäck aus, oder hast du eine Wanderung vor?«
Joan schlang ihre Arme um ihre Mutter. »Mehr brauche ich nicht, es ist alles da, was ich benötige.«
Etwas in Joans Tonfall machte Marion stutzig, die Worte hatten energisch geklungen, jedoch vermeinte sie, einen Hauch von Wehmut herauszuhören. »Was ist denn nur los, Kind? Du hast dich am Telefon schon so geheimnisvoll angehört.«
»Wenn ich nur wüsste, wo ich anfangen soll.« Joan trat ins Haus und legte den Rucksack ab. »Ich fürchte, du wirst mich nicht verstehen.«
Marion lachte und zog ihre Tochter in die Küche. »Ich bin zwar nicht mehr die Jüngste, aber habe Verständnis für alles, was dich betrifft. Sieh mal, Simon hat die Wände gestrichen.«
Tatsächlich strahlte die Küche in einem sauberen Weiß und sah viel freundlicher aus als vorher.
Ungefragt stellte Marion Teewasser auf und erklärte über die Schulter, dass Simon volles Verständnis für das Mutter-Tochtergespräch gezeigt habe und sich erst wieder sehen lassen wolle, wenn Joan es wünsche.
»Du musst mir versprechen, dass du das, was ich dir gleich sagen werde, Simon nicht erzählst«, bat Joan und fühlte sich plötzlich sehr unwohl in ihrer Haut. Sie merkte erst jetzt, in welchem Ausmaß es ihr schwer fallen würde, ihre Mutter einzuweihen.
Erstaunt drehte sich Marion um, in der Hand hielt sie die Teedose mit dem orientalischen Muster, die sich schon im Haushalt befand, seit Joan denken konnte. »Was für ein Geheimnis hast du denn, dass nur ich es erfahren soll? So kenne ich dich ja gar nicht.«
»Versprich mir, dass du es für dich behältst«, drängte Joan. Vor Nervosität begann sie eine Locke um den rechten Zeigefinger zu wickeln, und erst, als Marion zögernd nickte, fuhr sie fort. »Ich bin hier, um mich von dir zu verabschieden.«
Marion wirbelte herum. »Wieso verabschieden? Was hast du vor?«
»Du erinnerst dich an unser letztes Gespräch, hier in der Küche? Simon kam etwas zu früh, daher konnte ich nicht weiterreden.«
Mit gerunzelter Stirn ließ sich Marion ihrer Tochter gegenüber nieder, nickte dann leicht und fragte: »Es geht darum, dass ich dich unterbrochen habe, als Simon ankam beim letzten Mal, wenn ich mich recht entsinne.«
»Ja auch, denn ich wollte dich damals schon in meine Entscheidung einweihen. Und – erinnerst du dich - dass du sagtest, dass auch ich eines Tages einen Mann treffen würde, für den ich alles aufgeben werde.«
Marions Miene erhellte sich. »Oh ja, das sind meine Worte, selbst wenn sie in deinen Augen altmodisch klingen mögen.«
»Das tun sie nicht, Mom. Es ist genau das passiert, was du vorausgesagt hast.« Unauffällig tastete Joan nach der getrockneten Blume, die sie in ihrem Büstenhalter trug. »Mir ist dieser Mann begegnet.«
Einen langen Moment herrschte ungläubiges Schweigen, dann brach Marion in ein freudiges Lachen aus und nahm Joans Hände. »Dann hat es dich jetzt doch endlich erwischt? Meine Güte, und ich dachte schon, meine Tochter ist mit ihrem Beruf verheiratet und ich würde niemals Großmutter werden. Ich freue mich so für dich. Wer ist er, einer aus deiner Branche?«
Mit gesenktem Kopf und bebenden Lippen saß Joan da, und schließlich stieß sie hervor: »Er ist tot, schon sehr lange.«
Marions erstickter Schrei ließ Joan erschrocken wieder aufblicken und bevor ihre Mutter ähnlich mitfühlende Bekundungen wie Ted aussprechen konnte, fügte sie trocken hinzu: »Um es genauer zu sagen, er ist wahrscheinlich seit ungefähr zweihundert Jahren nicht mehr am Leben.«
»Seit zweihundert Jahren«, echote Marion, ihr Gesichtsausdruck wechselte blitzartig von Mitleid zu Argwohn. »Habe ich das eben richtig verstanden?«
»Ja, aber bitte sieh mich nicht an, als hätte ich nicht alle Tassen im Schrank.«
Marion blinzelte verwirrt und hob ratlos die Schultern. »Ich verstehe das nicht, bitte erkläre mir das genauer.«
Sie begann genauer zu erklären; sie fing an mit den rätselhaften Träumen, Großmutter Fionas Dachbodenfund und endete damit, dass sie Ewan liebe und seinetwegen für immer im achtzehnten Jahrhundert leben wolle. Natürlich ließ sie auch nicht den anderen Grund, nämlich die Beerdigung von Ceana Mathesons Gebeinen, aus.
Marion hatte stumm zugehört, und als Joan schwieg, stand sie auf, nahm den Teekessel, der schon geraume Zeit vor
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