Im Bann des Highlanders
sich Joan schließlich auf den Heimweg.
Ein letztes Mal benutzte sie den fast geräuschlosen Lift, schloss die Tür zu ihrer Wohnung auf, die ab morgen nicht mehr ihre Wohnung war, und blickte sich um. Schon jetzt wirkte alles fremd, als wäre sie längst fort.
Marion wusste, dass ihre Tochter am nächsten Tag vorbeikommen wollte, für zwei bis drei Tage, mehr hatte Joan nicht verraten. Allerdings hatte sie ihrer Mutter nur gesagt, alleine mit ihr reden zu wollen – nicht aber, dass sie London und ihr altes Leben für immer verlassen würde.
Einen Koffer brauchte Joan nicht. Die Kleidung, die sie während ihrer Zeitreise getragen hatte, sowie die Blechdose mit den wenigen Andenken, passten in einen Rucksack, Papiere und Geldbörse kamen in die Jackentasche.
Ewans Blume, sorgfältig in ein Spitzentaschentuch gewickelt, trug Joan ständig bei sich. Auch sie würde die Reise zurück ins achtzehnte Jahrhundert begehen. Niemals würde sich Joan von dieser kleinen Geste der Zärtlichkeit trennen.
In dieser letzten Nacht in ihrem Bett hörte Joan wieder Ceanas Stimme.
Der Nebel war diesmal weniger dicht, es war auch nicht so kalt und die Stimme klang befreit, ein erleichterter Singsang. Plötzlich lichtete sich der Nebelschleier für einen kurzen Moment völlig und sie sah – nein, nicht sich selbst – sondern Ceana Matheson, die auf den ersten Blick mit ihrer wilden roten Mähne, eine verblüffende Ähnlichkeit mit Joan hatte.
Ceana weinte und flehte, doch die Männer, die sie an den Armen festhielten, hatten finstere Mienen und achteten nicht darauf. Sie zerrten die zierliche Frau mit sich, hinein in den Wald, immer tiefer ins Unterholz. Joan erkannte den schmalen Pfad, den unförmigen grauen Felsbrocken und schließlich auch die Grube, an deren Rand sie einen aufgeworfenen Erdhaufen erkannte.
Ohne Erbarmen stießen die Männer sie in das ausgehobene Loch, dann wurden frisch bearbeitete Holzbohlen darüber gelegt und mit schweren Felsbrocken abgedeckt. Joan hörte ersticktes Weinen, schrak auf, und erst, als sie richtig wach war, wurde ihr bewusst, dass sie selbst es gewesen war, die geweint hatte.
Ihr Herz schlug schnell. Warum war dieser Traum realistischer gewesen, als die bisherigen, fragte sie sich. Vermutlich wollte ihr Ceanas Geist noch einmal verdeutlichen, wie wichtig es war, dass ihre Seele gerettet wurde, und tiefes Mitgefühl für ihre Vorfahrin nahm von Joan Besitz. Vielleicht befürchtete Ceana, dass Joan im letzten Moment doch noch einen Rückzieher machen würde.
»Ceana«, flüsterte Joan in die Stille hinein. »Ich werde dafür sorgen, dass du ein ehrenhaftes Begräbnis bekommst, aber ich bitte dich, bring mich in dieselbe Zeit wie beim ersten Mal, zu Ewan. Ich bitte dich ...«
Über diesen Worten fiel sie wieder in einen leichten Schlaf, und diesmal träumte sie von ihrem schönen, stolzen Highlander. Er blickte auf Joan hinunter und streckte ihr die Hand entgegen, seine langen dunklen Haare bewegten sich leicht im Wind und sein Händedruck war fest und warm.
Als stünde er leibhaftig vor ihr, konnte Joan seine strahlenden Augen sehen, seinen Mund, die gerade Nase und das markante Kinn. Er sagte nichts, sah Joan nur an – so, wie er sie an jenem Abend angesehen hatte, als er ihr das rote Blümchen überreicht hatte, bevor er sich über sie gebeugt und sie geküsst hatte. Sie konnte ihn sogar riechen, dieser angenehme Duft, den er verströmte.
Die Bilder verwischten und als Joan erwachte, wurde es bereits hell und sie fühlte sich ausgeruht und voller Tatendrang.
Ein letzter Gang durch die Räume, ein letzter Blick in den Spiegel, dann legte Joan die Wohnungsschlüssel auf ein Schränkchen und zog ohne Bedauern die Tür hinter sich zu. Mit dem Bus fuhr Joan zu der Autovermietung, bei der sie sich am Vortag einen Wagen hatte reservieren lassen. Joan hatte noch kein Flugticket bestellt, da sie nicht wusste, wie lange es dauern würde, bis ihre Mutter akzeptiert hatte, dass ihre Tochter sich für immer verabschiedete.
Sie blickte sich nicht um, als sie London verließ, sondern sah stur auf die Fahrbahn vor sich. Ein letztes Mal hegte sie Zweifel, ob es richtig war, was sie tat.
Marion schien alleine zu sein, denn Simons Wagen stand nicht vor der windschiefen Gartenpforte, wie Joan mit Erleichterung feststellen konnte. Noch immer wusste sie nicht, wie sie ihrer Mutter plausibel machen konnte, was geschehen würde.
Wie immer, wenn sie Joans Wagen hörte, kam Marion an die Haustür, noch
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