Im Bann des Highlanders
sich hingepfiffen hatte und sagte mit belegter Stimme: »Das ist die verrückteste Geschichte, die ich jemals gehört habe.«
»Und für mich die verrückteste Geschichte, die ich jemals erlebt habe«, ergänzte Joan und schnitt eine Grimasse. Dabei ließ sie ihre Mutter, die gedankenverloren Tassen und Zucker auf den Tisch stellte, nicht aus den Augen. »Ich kann es selbst noch nicht glauben, aber sieh her«, sie schob ihre Ärmel etwas hoch, sodass die verblassten, aber immer noch gut sichtbaren Narben zu erkennen waren, die die Stricke der Wegelagerer hinterlassen hatten.
Doch Marion dachte gar nicht daran, hinzusehen, sondern sagte, den Blick aus dem Fenster gerichtet: »Du scheinst durch deine Arbeit überfordert zu sein und deshalb den Kontakt zur Wirklichkeit verloren zu haben. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass du dich in eine Fantasiewelt stürzt.«
Joan hatte mit keiner anderen Reaktion gerechnet und nickte daher nur gleichmütig. Sie hatte sich jedoch vorgenommen, erst den Flug nach Schottland anzutreten, wenn ihre Mutter von der Wahrheit überzeugt war.
»Schon klar.« Mit einer Handbewegung fuhr sich Joan über das Gesicht. »Ich nehme es dir nicht übel, dass du so denkst. Wenn mir jemand diese Geschichte erzählen würde, würde ich ihn auch für verrückt halten.«
Kopfschüttelnd hob Marion die Hände. »Ich sage nicht, dass du verrückt bist, nur etwas ... überspannt vielleicht. Es gibt keine Zeitreisen, wie sollte das denn auch gehen. Und wenn du dir die Geschichte nicht ausgedacht hast, dann musst du sie geträumt haben.«
»Das dachte ich zunächst auch, als ich im Leihwagen das Datum sah, denn es waren nur wenige Stunden vergangen, obwohl ich wochenlang auf Glenbharr Castle gewesen bin. Ich habe diese Zeit verdrängt, doch die Kleidung aus dem achtzehnten Jahrhundert konnte ich nicht leugnen – und dann noch dies.« Joan griff in den Ausschnitt ihres Pullovers und brachte die in das Taschentuch gewickelte Blume zutage.
Vorsichtig nahm sie sie aus dem schützenden Tuch und hielt sie Marion hin. »Das ist außer der Kleidung ein Beweis, dass ich wirklich im achtzehnten Jahrhundert gewesen bin und Ewan kennen gelernt habe.« Sie sprach seinen Namen sanft aus.
»Scheint eine Art kleine Dahlie oder Aster zu sein«, bemerkte Marion stirnrunzelnd. »Ich habe solch eine Blume noch nie gesehen.«
Behutsam strich Joan über die spröden Blätter und ärgerte sich, dass sie die Blume nicht mit Haarspray fixiert hatte, um sie haltbarer zu machen. »Vielleicht wächst sie nur im Hochland oder ist inzwischen ausgestorben.«
»Fängst du schon wieder damit an?«
Energisch sprang Joan auf, nachdem sie die Blume wieder sorgfältig eingepackt hatte. »Ich habe weitere Beweise, Großmutters Tagebuch und Màiris Kleidung.« Ohne auf Marions Einwände zu achten, eilte sie in den Flur, um gleich darauf mit dem Rucksack zurückzukommen.
Marion zeigte sich von dem langen Rock ebenso wenig beeindruckt, wie von den anderen Stücken und dem Plaid mit dem Tartan des MacLaughlin Clans und behauptete, in jedem Kostümverleih könne man sich derartige historisch nachgearbeiteten Kleidungsstücke besorgen.
Verzweifelt holte Joan schließlich Fionas kleines, abgewetztes Tagebuch aus dem Rucksack und schlug es auf. »Lies selbst, auch Großmutter wurde von diesen Träumen verfolgt und wollte ihnen nachgehen, leider ist sie vorher gestorben. Als ich dies las, keimte in mir die Idee, nachzuholen, wozu sie nicht mehr gekommen war.«
»Das ist kein Beweis.« Erschöpft lehnte sich Marion zurück, in ihr Gesicht stand die Sorge um Joan geschrieben. »Du hattest schon als Kind sehr viel Fantasie, deshalb bist du wahrscheinlich in der Werbebranche gelandet. Aber ich finde, jetzt übertreibst du wirklich.«
Zum wiederholten Male beschwor Joan sie, ihr zu glauben.
»Hm, wenn ich alles richtig verstanden habe, dann bist du da oben in den Highlands in ein Loch gefallen und im achtzehnten Jahrhundert gelandet. Dort wurdest du von Halunken festgenommen, konntest fliehen und bist diesem Traumbild von einem Mann begegnet, der dich ebenfalls gefangen genommen hat. Darling, nimm es mir nicht übel, aber das sind Hirngespinste.«
»Und das hier?« Anklagend wies Joan noch einmal auf die schottische Kleidung und das Taschentuch mit dem getrockneten Blümchen.
Marion hob ratlos die Schultern. »Sagte ich ja schon – aus dem Kostümverleih – vielleicht hast du dir diese Sachen in einer Art tranceähnlichem Zustand
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