Im Bann des Highlanders
aber es ist einen Versuch wert.
Die Schecks, die du empört abgelehnt hast, liegen diesem Brief bei und ich flehe dich an, sie einzulösen.
Es fällt mir schwer, Lebewohl zu sagen in der Vorstellung, dass wir uns niemals wiedersehen werden. Werde glücklich mit Simon, du hast es verdient, und auch wenn ich bald in einer Zeit lebe, in der du noch lange nicht geboren sein wirst, werde ich die Gedanken an dich für immer in meinem Herzen tragen und ich wünsche mir auch, dass du mich nicht ganz vergisst und in Liebe ohne Trauer an mich denkst.
In ewiger Liebe, deine Tochter Joan.’
Sie blinzelte die Tränen fort, bevor sie den Papierbogen zusammen mit den Schecks in einen Umschlag steckte und ihn gegen die Nachttischlampe mit dem geblümten Schirm lehnte. Jedes Detail des Zimmers prägte Joan sich noch einmal ein, bevor sie sich auf Zehenspitzen aus dem Haus schlich.
Marions Schlafzimmer lag auf der Rückseite des Hauses, wo sie nicht hören konnte, als Joan den Leihwagen startete. Nach einem letzten flüchtigen Blick trat Joan auf das Gaspedal und fuhr los. Das schlechte Gewissen begann in ihr zu nagen; war es recht, ihre Mutter allein zu lassen?
Aber Marion war ja gar nicht allein, sie hatte Simon, der sie bald heiraten würde. Joan hatte dasselbe Recht wie ihre Mutter, ihr Leben nach ihren Wünschen zu gestalten.
Die Straße war leer bis auf ein paar entgegenkommende Lastwagen, die anscheinend zu früher Stunde Southamptons Geschäfte mit Lebensmitteln und Zeitungen versorgten. Auch im Flughafengebäude herrschte wenig Betrieb.
Joan gab Schlüssel und Papiere des Leihwagens ab, bevor sie das Flugticket holte. Die Zeit bis zum Abflug vertrieb sie sich damit, zu frühstücken und die Tageszeitung durchzublättern.
Insgeheim hatte sie befürchtet, in letzter Sekunde doch noch Angst zu bekommen und ihr Vorhaben aufzugeben. Doch nichts dergleichen geschah, und je näher die Abflugzeit rückte, desto ruhiger und ausgeglichener wurde sie.
Inverness lag erstaunlicherweise in hellstem Sonnenschein, auch wenn es winterlich kalt war. Diesmal mietete sich Joan kein Auto, denn sie wollte keine Spuren hinterlassen.
Im Internet hatte sie sich nach Busverbindungen nach Baile a’Coille erkundigt, denn die letzte Nacht im einundzwanzigsten Jahrhundert wollte sie in derselben Pension wie bei ihrem ersten Aufenthalt in den Highlands verbringen. Es gab tatsächlich einen Linienbus, der sage und schreibe zweimal täglich fuhr, einer morgens, einer am Nachmittag.
Joan hatte Glück, die Haltestelle befand sich in der Nähe des Flughafens und bis zum Eintreffen des Busses musste sie nicht mehr lange warten.
Diesmal sah sie die Landschaft mit anderen Augen, als bei ihrer ersten Fahrt nach Baile a’Coille, und das lag nicht nur am schönen Wetter. Was beim ersten Mal trostlos erschienen war, wirkte vertraut und doch aufregend in seiner Schönheit, wie sie jetzt empfand. Die riesigen Wälder und Weiden, auf denen unzählige Schafe grasten, in der Ferne die Silhouette der Berge – ein merkwürdiges Glücksgefühl durchströmte sie.
Die Fahrt dauerte diesmal doppelt so lange wie Monate zuvor mit dem Leihwagen, denn der Bus bog oft zu beiden Seiten der Hauptstraße ab, um kleine Ortschaften anzufahren. Die Menschen, die zustiegen, waren größtenteils Einheimische mit verschlossenen Gesichtern, aber es waren auch einige unter ihnen, denen man ansah, dass sie Touristen waren und trotz der frühwinterlichen Kälte die Landschaft kennen lernen wollten.
Nun, eine Art Touristin war Joan ebenfalls, fiel ihr plötzlich ein, wenn auch eine recht ungewöhnliche. Unauffällig musterte sie die Fahrgäste und fragte sich, was sie wohl sagen würden, wenn sie wüssten, was die junge Frau mit der auffallend roten Lockenmähne vorhatte.
Auch Baile a’Coille sah an diesem Tag nicht so düster aus wie bei der ersten Begegnung, stellte Joan fest, als sie nach stundenlanger Fahrt – es war mittlerweile dunkel – in dem Örtchen am Fuße des Waldgebietes eintraf. Die Straßen wurden von wenigen, jedoch genug Licht spendenden altmodischen Laternen erhellt, und die Pension Cearc fhrangach war schnell wieder gefunden.
Joan hatte ein Zimmer bestellt, nachdem sie sich innerlich von ihrer Mutter verabschiedet hatte. Maggie hatte sich hoch erfreut gezeigt und würde vermutlich wissen wollen, was die junge Engländerin wieder in die Highlands führte. Während der Busfahrt hatte sich Joan eine glaubhafte Begründung einfallen lassen, falls Maggie
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