Im Bann Des Jaegers
ganz entschieden einer, der seinen gewählten Beruf beherrschte. Sie hatte beobachtet, wie andere Männer, die alle ebenfalls kräftig waren, zurücktraten, wenn er sich durch eine Gruppe von Menschen bewegte, und doch schien er jeden immer fair zu behandeln. Ihr gefiel alles an ihm, von seinen breiten Schultern über den markanten Gesichtsschnitt bis hin zu seinem atemberaubenden Lächeln.
Schon lange, bevor sie ihn mit in das Zuchtprogramm hineingezogen hatte, hatte sie von ihm geträumt. Ihn begehrt. Sich Fantasien und unrealistischen Träumen über ihn hingegeben, bis es fast zu einer Art Besessenheit geworden war. Als Whitney darauf bestanden hatte, diese grauenhaften Männer mit ihrem lüsternen Grinsen zu ihr zu schicken, die sich nicht daran störten, dass sie nichts von ihnen wissen wollte, Männer, die gern bereit waren, sich ihr gewaltsam aufzudrängen, war sie verzweifelt gewesen und hätte alles getan, um zu fliehen – eine Frau, die einen anderen Menschen skrupellos zur Hölle auf Erden verdammen würde, nur um ihre Freiheit zu erlangen. Sie schluckte schwer und wandte ihren Blick ab, da sie sich sowohl ihres Verlangens als auch ihrer Feigheit schämte. Sie hatte ihn verraten und verkauft und konnte sich selbst jetzt nicht von ihm lösen.
»Was ist los mit dir, Rose?«
Seine Stimme war so sanft, dass es ihr in der Seele wehtat. Sie fühlte, wie sein Baby ihr von innen gegen die Bauchdecke trat, eine deutliche Erinnerung daran, dass ihr ein Teil von ihm für immer bleiben würde. Die Suppe schmeckte jetzt nach Asche, denn die Saat des Schuldbewusstseins und der Scham raubte ihr jeglichen Appetit. Sie stellte die Schale auf den Nachttisch. Er war ein Mann mit Ehrgefühl, und sie hatte ihm seinen Stolz geraubt, indem sie ihn in eine unhaltbare, ausweglose Lage gebracht hatte. Er verabscheute sich dafür, dass er sie geschwängert hatte, und sie konnte ihm noch so oft sagen, es sei ihre Wahl gewesen, ihre Entscheidung – er weigerte sich, ihr die Schuld zuzuschreiben. Er wartete geduldig darauf, dass sie seine simple Frage beantwortete – »Was ist los mit dir?« – , doch die Antwort war nicht annähernd so einfach wie die Frage.
»Es tut mir leid, dass ich dich in diese ganze Geschichte mit hineingezogen habe, Kane, aber es tut mir nicht leid, dass du jetzt bei mir bist. Ich habe Angst.«
Geschafft. Sie hatte es zugegeben, es laut ausgesprochen. In Wahrheit graute ihr, und sie fürchtete sich zu Tode. Sie war so müde, und sie brauchte dringend Ruhe. Vierundzwanzig Stunden ohne Furcht. Sie war so lange Zeit allein gewesen und hatte Angst um sich selbst und um das Baby ausgestanden. Sie blickte zu ihm auf und schämte sich, doch sie konnte ihn nicht belügen. »Ich brauche dich.«
Sie liebte sein Gesicht, diese harten Kanten, das kräftige Kinn und diese kühlen, klaren Augen. Kane war frei von List und Tücke. Er hatte keine Hintergedanken – nicht so wie sie. Er log nicht, was seine Gefühle anging. Er verbarg den Umstand nicht vor ihr, dass sein Körper sie wollte und ihm das unangenehm war. Sie bezweifelte, dass es allzu viele Männer von seiner Sorte auf Erden gab. Sie brauchte nicht irgendjemanden; sie brauchte ihn.
»Das dachte ich mir, als ich in dem Zimmer von hinten auf dich zugekommen bin und du keinen großen Widerstand geleistet hast.« Er strich ihr das Haar aus dem Gesicht zurück und ließ die Kuppe seines Daumens über ihre Haut gleiten.
Rose versuchte, nicht zu erschauern. In dem Moment, als er das Zimmer betreten hatte, in dem sie den Informanten erwartete, hatte sie tief eingeatmet und seinen Geruch tief in sich aufgesogen, in ihren Körper, in ihre Lunge. Dort hatte sie ihn für immer festhalten wollen. Es hatte sie maßlos schockiert, dass ausgerechnet Kane gekommen war, um die Geiseln zu befreien. Konnte sich eine Frau durch bloße Beobachtung in einen Mann verlieben? Indem sie ihn durch ein Fenster betrachtete? Sie fürchtete, sie lebte in einer Traumwelt und nicht in der Realität, denn sie war viel zu lange allein und verängstigt gewesen. Es gab niemanden außer Kane. Wen hatte sie denn sonst noch? Die anderen Frauen auf dem Gelände waren geflohen und hatten sich in alle Himmelsrichtungen zerstreut, und sie hatte selbst sehen können, wie sie allein mit der Geburt ihres Babys zurechtkam. Sie wollte sich am liebsten bei ihm verkriechen. In seinen Armen liegen, wo sie sich sicher fühlte. Wo sie endlich eine Zuflucht gefunden hatte.
Er glaubte, er hätte ihr
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