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Im Bann des Maya-Kalenders

Im Bann des Maya-Kalenders

Titel: Im Bann des Maya-Kalenders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugo Stamm
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erschießen.«
    Das war das Zeichen für Jones’ Leute. Sie fuhren auf einem Traktor auf das Rollfeld und eröffneten das Feuer auch auf Ryan und seine Begleiter. Der Kongressabgeordnete, vier Journalisten und drei Volkstempler starben im Kugelhagel.
    Die »weiße Nacht« wird Wirklichkeit
    Zur gleichen Zeit erhielt Tim Carter von Jones im Sektencamp den Auftrag, zusammen mit seinem Bruder 550.000 Dollar in drei Koffern zur sowjetischen Botschaft in der Hauptstadt Georgetown zu bringen. Unterwegs kamen ihnen die Sicherheitsleute entgegen. Sie hätten Ryan erschossen, erzählten sie. Gleichzeitig hallten Schüsse vom Camp herüber. Carter konnte es nicht glauben: »Jim Jones ist doch nicht so verrückt, einen Kongressabgeordneten erschießen zu lassen, dachte ich und fuhr sofort zurück. Die weiße Nacht, schoss es mir durch den Kopf. Beim ersten Pavillon sah ich ein gutes Dutzend Leichen. Jims Frau Marceline schrie: ›Nein, nein, nein.‹ Ich sah, wie die Leute reihenweise starben. Mein Hirn war leer, ich war wie betäubt. Die Sicherheitsleute rissen den Müttern ihre Babys aus den Armen und spritzten ihnen das Gift.«
    Die Erinnerungen schnüren Carter auch heute noch die Kehle zu. Nach einer Pause fährt er fort: »Ich fand meinen einjährigen Sohn Malcolm und meine Frau Gloria neben der Bühne. Gift floss aus Malcolms Mund. Ich sehe ihn vor mir, als sei es gestern gewesen. Malcolm starb in meinen Armen.« Das Drama wiederholte sich kurz darauf mit seiner Frau Gloria. »›I love you, I love‹, hauchte sie mir ins Ohr.« Tim Carter kramt ein kleines Foto von seinem Sohn aus dem Portemonnaie.
    In seiner Ohnmacht rannte Carter wie von Sinnen zum Haus von Jones. »Malcolm ist tot, sie haben ihn umgebracht«, schrie er. »Wir hatten keine andere Wahl, wir mussten es tun«, bekam er zur Antwort. »Ich konnte keinen Sinn mehr im Leben erkennen und wollte auch sterben«, erzählt der Überlebende, der mit seinem Bruder in den Urwald flüchtete.
    Tim Carter musste zwei Tage nach dem Massaker an den Ort des Schreckens zurück. »Ich stieg über Leichen, um meine toten Freunde zu identifizieren. Sie lagen übereinander, eng umschlungen oder sich an den Händen haltend.« Unter ihnen 276
Kinder. Unter den Toten befanden sich auch die Familie seiner Schwester, die Frau seines Bruders und dessen Tochter.
    Carter beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit dem Phänomen und stellt die immer gleichen Fragen. Wie konnte der Wahnsinn passieren? Antworten fallen ihm auch heute noch schwer. Sicher ist für ihn aber, dass das Massaker kein kollektiver Suizid war, sondern ein Massenmord. Viele Leichen wiesen Einstiche auf, andere Schusswunden. »Wer den Becher nicht getrunken hat, erhielt die Giftspritze oder die Kugel. Die Leute waren vor dem Drama mit Valium vollgepumpt worden.«
    Und Jim Jones? Sie fanden den Sektenführer mit einer Kugel in der rechten Schläfe. »Ob er erschossen worden war oder sich selbst gerichtet hatte, konnte nie geklärt werden«, sagt Carter.
    Tim Carter fand wieder ins Leben zurück, auch wenn weiterhin kaum ein Tag vergeht, ohne dass ihn die Bilder von damals einholen. Er heiratete 1980 ein zweites Mal und wurde Vater von zwei Töchtern und einem Sohn. Das kleine Foto von seinem ersten Sohn Malcolm hütet er aber weiter wie ein Geheimnis.

8. Geschichte der Endzeit: Sehnsucht ohne Ende
    Apokalyptische Ängste und Hoffnungen haben sich im Lauf der Geschichte tief ins Bewusstsein der Menschen gegraben. Die Vision von der globalen Katastrophe, die reinigend wirkt und die »guten Menschen« erlöst, ist so alt wie das Bewusstsein von der Zeit und der Vergänglichkeit des Lebens. Die Idee hat sich zu einem grundlegenden Lebensgefühl entwickelt. Die Urchristen waren nicht die ersten Gläubigen, die der existenziellen Urangst mit apokalyptischen Rezepten begegneten.
    Bezeichnenderweise entwickelte der Evangelist Johannes seine apokalyptischen Visionen in einer Krisenzeit, als die Urchristen
von den Römern unterdrückt und verfolgt wurden. Und die jüdischen Endzeitschriften entstanden, nachdem der heilige Tempel von Jerusalem entweiht, der Sabbat verboten und das Tora-Studium untersagt worden war. Als die Römer den Tempel zu Jerusalem 70 nach Christus gar zerstörten, sah nicht nur das auserwählte Volk der Juden das Ende der Zeit kommen, auch die frühen Christengemeinden und Evangelisten erwarteten die baldige Wiederkunft ihres Messias.
    Apokalyptische Ängste sind immer auch eng verknüpft mit der

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